Kuhhandel im Maisfeld

Seit Anfang 2005 gilt in Deutschland ein neues Gentechnikgesetz. Nun soll es von Grund auf neu geschrieben werden, um Forschung und Anwender zu fördern. Bauern, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, werden künftig von der direkten Haftung für Verunreinigungen fremder Felder befreit, indem ein Ausgleichsfond geschaffen wird, über den die Kosten abgefangen werden sollen. Ein Bauer oder Konzern haftet dann nur noch direkt, wenn gegen die „Regeln für die gute fachliche Praxis beim GVO- Anbau“ verstoßen wurde – Regeln, welche die Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen bekanntermaßen nicht verhindern können, während bereits der Nachweis, wie und von welchem Feld eine Übertragung stattfand, nicht eindeutig zu bringen ist. Abzuwarten bleibt, ob sich der Staat, bzw. der Steuerzahler, nicht doch noch zum Wohle der Wirtschaft an der Finanzierung des Fonds beteiligen darf.
Stefan Krug von Greenpeace zu den Koalitionsverhandlungen:
„Und das alles nur, damit die Union auf ihre absurde Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke verzichtet und bei den Erneuerbaren Enerien mitmacht. Die Geschädigten dieses Kuhhandels sind die Verbraucher und die Umwelt. Verbraucherschutz, gentechnikfreie Landwirtschaft, Klimaschutz und jahrelange Bemühungen um mehr Schutz vor gefährlichen Chemikalien werden dem Machterhalt geopfert.“
Und während die EU- Kommission weitere gentechnisch veränderte Organismen zulässt, Monsanto ein jährliches Wachstum von 20 Prozent ankündigt, und die australische Regierung auf neue Fälle von Kontamination durch gentechnisch veränderte Sequenzen mit dem Heraufsetzen des Toleranzlevels reagiert, fährt man andernorts schwere Geschütze gegen die Kritiker der Gentechnik auf. Der Pflanzenökologe Klaus Ammann etwa scheut auch nicht vor Polemik zurück, um der „systematischen Desinformationskampagne“ zur grünen Gentechnologie entgegen zu wirken. Obwohl er Gentech- Nahrung generell für „unbedenklich“ hält, gesteht er immerhin zu, nicht gleich die komplette Risikoforschung einstellen zu wollen – auch wenn diese Konzession scheinbar nur getätigt wird, um zu einem weiteren Seitenhieb gegen die Gentech-Kritik anzusetzen:
„Parasiten, die man auf bekannte Schädlinge ansetzte, suchten überraschend einen anderen Wirt aus, nämlich eine seltene, deswegen nun ausgestorbene Art der Nachtschmetterlinge. Nicht auszudenken ist das Heulen und Zähneklappern der Fundamentalisten, wenn diese Schuld einer Gentech-Pflanze in die Schuhe geschoben werden könnte.“
Kein Wort über MON 863 und ähnliche aktuelle Fälle. Kein Wort über die umstrittene Einschätzung von organischen Auffälligkeiten nach GMO- Verabreichung als „natürliche Variationen“. Kein Wort über die Forderung nach weiteren Studien, die von einem Großteil der Kritiker vertreten wird. Stattdessen das Anprangern von „Heulen und Zähneklappern der Fundamentalisten“. In Anbetracht derartiger Ausführungen liegt die Frage nahe, weshalb ausgerechnet Professoren, von denen zumindest der unbeteiligte Betrachter eine (gewisse) wissenschaftliche Ausgewogenheit erwarten würde, die tendenziöse, polemische Behandlung der Thematik vorziehen.
MON 863 – Vom umstrittenen Futtermittel zum zugelassenen Lebensmittel?
Ausgerechnet die Maissorte MON 863, die aufgrund von Auffälligkeiten bei Fütterungsversuchen mit Ratten im Verdacht steht, organische Veränderungen zu verursachen, könnte in der EU bald als Lebensmittel zugelassen werden. Die Untersuchungen zu MON 863 wiesen grobe Mängel auf, und Wissenschaftler kritisieren den Einsatz falscher statistischer Methoden sowie das Übersehen von Veränderungen der Organe und des Blutbildes von Versuchstieren bei der Auswertung der Ergebnisse. Obwohl die „Commission Du Genie biomoleculaire“ (CGB) des französischen Landwirtschaftsministeriums bereits im Jahr 2003 weitere Studien zur Toxizität der gentechnisch veränderten Maissorte MON 863 gefordert hatte, die bis heute nicht erfolgten, wurde MON 863 von der „European Food Safety Authority“ für unbedenklich erklärt und für den Markt freigegeben. Nachdem es im zuständigen Ausschuss keine Mehrheit gegeben hatte, reichte die EU-Kommission beim Rat den Vorschlag ein, den gentechnisch veränderten Mais MON 863 zuzulassen. Sollte nach drei Monaten keine Einigung erzielt sein, ginge die Verantwortung wieder an die Kommission, die den Fall entspechend im August 2005 übernahm. MON 863 wurde zunächst als Futtermittel in der EU zugelassen.
Ende Oktober 2005 gingen die Abstimmungen in die nächste Runde, doch es kam im Rat der EU- Agrarminister keine qualifizierende Mehrheit für oder gegen die Zulassung von MON 863 als Lebensmittel zustande. Wieder bleibt die Entscheidung der Kommission abzuwarten, die sich in der Vergangenheit im Zweifelsfall gerne auf die Seite der Biotech- Konzerne gestellt hat. Die britische EU- Präsidentschaft, die sich einer Aufweichung der Zulassungsprozesse verschrieben zu haben scheint, könnte ihr übriges tun.

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