Deutschlands einzigartiger Jugendschutz

Was mag sich wohl hinter der Abkürzung BPjM verbergen? Die Antwort kennt nur der Deutsche, und selbst der kennt sie eigentlich nicht, wie man durch zufällige Befragungen leicht herausfinden kann. Diese weltweit einmalige Behörde namens „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ ist seit 51 Jahren damit beschäftigt, bestimmte Filme, Tonträger, Spiele, Zeitschriften, Zeitungen und Bücher in eine Liste aufzunehmen, wodurch sie eigenen Angaben zufolge eine Auseinandersetzung über die Jugendgefährdung in der Öffentlichkeit erreichen will.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber veranlasst, dass die Liste öffentlich gar nicht zugänglich ist, außer Erwachsenen. Zum Beispiel kann sich der Volljährige (nach Altersnachweis) für 11 Euro pro Heft (erscheint in jedem Quartal), oder per Jahres-Abo für 33 Euro (je zzgl. Versandkosten), oder gar per Email-Abo für 60 Euro pro Jahr Zugang zur aktualisierten Liste verschaffen. Eigentlich werden Neu-Indizierungen auch im Bundesanzeiger veröffentlicht, aber der entsprechende Teil ist zumindest nicht im Internet abrufbar, sondern müsste ebenfalls aboniert werden. Außerdem wird von der Veröffentlichung der Neuindizierung abgesehen, wenn selbst darin wieder eine Jugendgefährdung gesehen wird.
Um ganz sicher zu gehen, dass man auf die Jugendgefährung eines Films oder Spiels aufmerksam wird, verschwindet dieser auch aus dem DVD-, Video- oder Spiele-Regal, denn er darf nicht mehr öffentlich verkauft werden – nur noch auf ausdrückliche Anfrage und Altersnachweis an Erwachsene, wobei es keine Rolle spielt, ob zum Beispiel das Computerspiel vorher eine USK-Freigabe ab 16 hatte. Als Folge hiervon sind die Filialen der verschiedenen Discounter überwiegend dazu übergegangen, indizierte Filme oder Spiele grundsätzlich nicht mehr zu verkaufen.
Aber um auch noch den geringsten Zweifel auszuräumen, dass sich das öffentliche Bewusstsein mit der Jugendgefährdung des indizierten Mediums auseinandersetzt, darf selbiges auch nicht mehr öffentlich angepriesen (Werbung) oder auch nur angekündigt werden. Wer dagegen verstößt, macht sich strafbar.
Auch im Fernsehen dürfen indizierte Filme nicht mehr gezeigt werden, es sei denn man kürzt sie so, dass die BPjM (gegen Erhebung einer Gebühr) keine wesentliche Inhaltsgleichheit mehr mit dem Original feststellt. Früher war nur die eigens dafür kreierte FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen) zuständig, um zu entscheiden ob und mit welchen Schnittauflagen ein Film gesendet wird, doch nun entfaltet eine Entscheidung der bundesweit prüfenden Multitalente auch im Fernsehen seine volle Wirkung. Auf letzteren Genie-Streich ist man allerdings erst mit der Jugendschutzreform vom 1.4.2003 gekommen. Im selben Zug wurde entschieden, dass Filme mit einer FSK-Freigabe und Computerspiele mit einer USK-Freigabe gar nicht mehr indiziert werden können. Folgerichtig wurden alle Medien mit einer solchen Freigabe, die vor dem 1.4.2003 indiziert wurden, auf der Liste gelassen. An Filmen umfasst sie momentan etwa 3000.
Wurde ein Medium auf die Liste gesetzt (eine Indizierung kann auf Antrag eines Beamten oder Anregung eines Mitarbeiters der freien Jugendhilfe anlaufen), dann gibt es nur wenige Möglichkeiten, um es dort wieder herunterzubekommen: entweder jene 25 Jahre verstreichen zu lassen, welche die Indizierung gültig bleibt, einen Antrag auf Neubewertung stellen (der alle 10 Jahre möglich ist und gegen Erhebung einer Gebühr erfolgt), oder die Chefin der BPjM (z.Zt. Elke Monssen-Engberding) kommt von sich aus auf die Idee, das Medium erneut prüfen zu lassen.
Ein Personal von 12 Leuten, das für jedes Medium eine Sitzung durchführt, entscheidet mit 2/3-Mehrheit (im Normalfall also 8 Leuten) über eine Indizierung. Davon stammen 8 Personen aus Lehrerschaft, Kirchenvertretern, öffentlicher und freier Jugendhilfe sowie im Turnus welchselnd aus den verschiedenen Landesministerien für Jugendschutz. Auch 4 Abgesandte von verschiedenen Medienbranchen (Kunst, Bücher, Telemedien) sind mit von der Partie. Einzelheiten für unvollständige Besetzungen und beschleunigte Verfahren sind geregelt.
Ein jugendschützerischer Erfolg der BPjM im Inland oder auch gegenüber anderen Ländern lässt sich durch empirische Daten nicht belegen. Auch diese einmalige deutsche Behörde hat das Massaker von Erfurt nicht verhindern können. Es ist auch fraglich, ob sie – abgesehen von informierten Film- und Spiele-Fans, die sich über Indizierungen ärgern – in der Öffentlichkeit irgendeine nennenswerte Reaktion hervorruft. Freilich schafft es eine spektakuläre Entscheidung manchmal in die Medien, wie z.B. die Indizierung von „Command & Conquer Generals“, weil sie während des Irak-Konflikts 2003 erfolgte und weil es ein Spiel betraf, das eine Jugendfreigabe (ab 16) hatte.
Zweifellos kann aber der Effekt beobachtet werden, dass vielen Filmen (manchmal internationalen Kassenschlagern) und Spielen in der Originalfassung, ein Erfolg in Deutschland auf CD, Video, DVD oder im Fernsehen einige Zeit lang (bis zu 25 Jahren) nicht beschert sein wird.

Das könnte dich auch interessieren …

Eine Antwort

  1. holo sagt:

    Ich meine, dass dieser Aufwand zur Kastration von Kulturgut einlädt. Wer die Kriterien kennt und unbedingt die Zielgruppe ab 16 avisiert, der produziert dazu den Film. Nur erfahre ich als mündiger Konsument nicht von einer „uncut“-Variante. Steht leider nicht neben dem tollen FSK 16 – Logo.
    Ich fühle mich eher betrogen und meide daher den Kauf jeglicher DVDs, die in irgendeiner Form nach Action riechen. Der einzige Weg führt in die Videothek. Da gibt es noch FSK 18 als erste Offerte.
    Selbst im Pay-TV – trotz DVB-Jugendschutz-Codeeingabe darf nach dieser tollen Gesetzgebung eine FSK-18-Fassung nicht generell ungekürzt bleiben. Hat Premiere selbst in ihren Programmzeitschriften geschrieben.
    Ich las auch einmal einen Bericht, bei dem in einem Raum voller Verkehrslärm im Hintergrund Filme von Vertretern der FSK bewertet wurden.
    Ich finde das entmündigend. Da ich das weiss, traue ich keinem FSK 16-Label. Von denen lasse ich eher die Finger, als von FSK 12.
    Hat sich da nicht jemand über Umsatzeinbußen wegen Raubkopierens beschwert? Ist wohl eher so, dass auch andere deren Taktik durchschaut haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.