Im langen Schatten der Propaganda
Ein kleiner Streifzug durch aktuelle Umfragen, zeitlose Kampagnen und nachwirkende Fehlinformationen.
Nicht zuletzt der US- amerikanischen Medienvielfalt ist es zu verdanken, dass inzwischen 59% der Amerikaner nicht mehr glauben, dass Saddam Hussein enge Verbindungen zu Al- Qaida pflegte, wie es eine Umfrage vom Dezember 2005 nahe legt. Die nachhaltig Überzeugten, die es noch im Vorjahr zu 62% gebracht haben, befinden sich nun mit 41% in der Minderheit. Auch der Glaube an Massenvernichtungswaffen im Irak ging von 38 auf 26% langsam, aber beständig zurück. Fraglich bleibt jedoch, ob die Erkenntnis, dass es sich weitgehend um eindeutige Fehlinformationen handelte, auch im letzten gläubigen Drittel der Gemeinde ankommen wird, denn selbst wenn einstmals verbreitete Lügen in sämtlichen Medien des Mainstreams als Fehlinformationen enttarnt und von beteiligten Politikern als bedauerliche Missverständnisse bezeichnet werden, haben sie längst ein Eigenleben entwickelt und sorgen weiter für Meinungsbildung – während im Fall der Aufdeckung einer Lüge die Verantwortung auf einzelne Sündenböcke in Form von Informationszuträgern abgeschoben und häufig ganz grundsätzlich der schlechten Ausstattung der Geheimdienste angelastet wird, welche wiederum ein praktisches Argument für weitergehende Privilegien, Projekte und finanzielle Zuschüsse geliefert bekommen.
Vergleichsweise unbeeindruckt von der Aufdeckung vergangener Fehlinformationen zeigt sich unterdessen die Unterstützung für den unlängst zum Akt demokratischer Nächstenliebe umgedeuteten Irakkrieg, während die allgemeine Zustimmung für die Amtsführung des Präsidenten in den letzten Wochen im Zuge einer PR- Kampagne sogar wieder zunahm und im Dezember mit 47% offenbar den höchsten Stand seit März 2005 erreicht hat. Was die Frage der Terrorbekämpfung angeht, steht eine Mehrheit von 56% hinter dem Präsidenten. Die jährliche Umfrage der Military Times zeigte allerdings, dass die Unterstützung für die Politik der Bush- Regierung insgesamt auch innerhalb der Truppen im Durchschnitt von 71% im Jahr 2004 auf 60% im Jahr 2005 zurückgegangen ist.
In der aktuellen Veröffentlichung State of War: The Secret History of the CIA and the Bush Administration beschäftigt sich New York Times- Journalist James Risen u.a. mit Propaganda und Desinformation. Neben dem aktuell in den Medien thematisierten NSA- Lauschangriff berichtet Risen u.a. von verschiedenen Informationen, die der CIA vorlagen und deutlich auf die Beendigung aller MVW- Programme hindeuteten, wie bspw. den Reisen von etwa 30 Familienangehörigen von Irakern, die im Auftrag der CIA nach Mesopotamien geschickt wurden, um vornehmlich verwandte Waffenexperten zu befragen und ausnahmslos von der Beendigung entsprechender Programme berichteten. In Bezug auf die Überwachungsmaßnahmen schreibt Risen, dass die NSA weder vom Weißen Haus, noch vom Justizministerium oder sonst einer Instanz eine Erlaubnis benötigt, um die Telekommunikation der Vereinigten Staaten abzuhören.
Little Big Brother
„Bereit zur Kontrolle“ wurde im Frühjahr 2004 in der „Welt“ getitelt, nachdem das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Springer- Auftrag 1001 Bundesbürger zu Sicherheitskontrollen und Überwachungsmethoden befragt hatte. Die Ergebnisse, die einerseits für viele Maßnahmen eine breite Unterstützung anzuzeigen schienen, illustrierten jedoch andererseits die deutliche Ablehnung sowohl des großen Lauschangriffes als auch einer ausgedehnten Videoüberwachung. Die Grundtendenz wurde von der „Welt“ jedoch zweifellos richtig erkannt bzw. vorgegeben: „Big Brother hat seinen Schrecken verloren: Zum Schutz vor Terrorismus fordern die Deutschen mehr Überwachung.“
Mit dieser Forderung stehen die Deutschen selbstverständlich nicht allein: Einer aktuellen Online- Umfrage von Zogby International zufolge, an der 1929 US- Bürger teilnahmen, gesteht eine relative Mehrheit von 49% dem Präsidenten das Recht zu, das großflächige Abhören von internationaler Kommunikation auch ohne richterliche Zustimmung anzuordnen. Dass ein solches Vorgehen von immerhin 45% der Teilnehmer abgelehnt wird, und 18% befürchten, Bush hätte durch seine Aktionen das ganze Land in noch größere Gefahr gebracht, illustriert nicht zuletzt die Spaltung der US- amerikanischen Öffentlichkeit – und vielleicht auch die zweifellos existente, wenn auch kanalisierte Pluralität im medialen Massenmeinungs- Business.
Doch die Prioritäten werden allem Anschein nach für nicht wenige US- Bürger vom Präsidenten vorgegeben:
„Sie haben uns bereits angegriffen, sie werden uns wieder angreifen, wenn sie es können. Und wir werden alles tun, was wir können, um sie aufzuhalten.“
Dass dabei zufällig – und selbstverständlich nur durch unglückliche technische Fehler bedingt – von der NSA auch einige rein US- amerikanische Anrufe abgehört wurden, wo es doch eigentlich ausschließlich um internationale Kommunikation gehen sollte, und dass allen Aussagen zum Trotz nun doch keine richterlichen Beschlüsse notwendig waren, sorgt kaum noch für Aufregung. Wahrscheinlich liegt es nur an der mangelhaften Finanzierung der Geheimdienste. Ob die US- Bürger der NSA wirklich ebenso viel patriotisch illuminiertes Vertrauen entgegenbringen wie ihrem Präsidenten?
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