Forenhaftung – Abmahnungen und Maulkörbe

Im Dezember des Jahres 2005 bestätigte das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die eine Vorabkontrolle von Forenbeiträgen durch den Seitenbetreiber auf mgl. Rechtsverstöße vorschreibt. Im konkreten Fall handelte es sich bei den Parteien um die Firma Universal Boards ( mit dem Geschäftsführer und Dialerkönig Mario Dolzer an der Spitze) und den Heise Verlag ( publiziert IT-Magazine wie z.B. die C’t ). Im Forum des Heiseverlags wurde ein Skript zum Massendownload eines Dialers veröffentlicht. Durch Benutzung des Skriptes erhoffte man sich den Server von Universal Boards in die Knie zu zwingen.
Nachdem Heise per Unterlassungserklärung Kenntis über den Forenbeitrag erhielt, wurde dieser umgehend entfernt. Die Forderung auch in Zukunft keine Forenbeiträge zuzulassen, die Universal Boards Probleme bereiten könnten, wurde nicht unterschrieben. Daher beantragte Universal Boards eine einstweilige Verfügung. Der Widerspruch von Heise wurde vom LG Hamburg mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Kammer erklärte, sie sei überzeugt, dass der Verlag allein durch die Verbreitung auch ohne Kenntnis für die im Forum geäußerten Inhalte haftbar zu machen sei. Er könne schließlich die Texte vorher automatisch oder manuell prüfen. So wie der Verlag das Forum bisher betreibe, fordere er Rechtsverletzungen sogar potenziell heraus, betonte ein Richter. Es sei nicht hinnehmbar, dass „die in ihren Rechten Verletzten Ihnen hinterherrennen müssen“. Den Einwand des Verlags, dass eine automatische Filterung erwiesenermaßen nicht funktioniere und eine manuelle Prüfung jedes Beitrags angesichts von über 200.000 Postings pro Monat schlicht nicht zu leisten sei, ließ die Kammer nicht gelten.

Das war im Dezember 2005 – Anfang März 2006 lag Heise immer noch keine schriftliche Urteilsbegründung vor. Heise kündigte bereits an in Berufung zu gehen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, dennoch wird es nun bereits von windigen Abmahnanwälten und dubiosen Firmen genutzt um fleißig Maulkörbe zu verteilen:

– Der Deutsche Video-Ring ließ den Seiten Supernature-forum.de und Cinefacts.de über ihren Anwalt eine kostenbewährte Unterlassungserklärung zukommen mit der Aufforderung kritische Forenbeiträge in denen Erfahrungen mit der Firma zu entfernen und bei Strafe von jeweils 10000 Euro dafür Sorge zu tragen, daß es nicht erneut zu solchen Beoträgen kommt.

– Ein Touristik-Anbieter bekam auch einen netten Brief, da „unwahre Tatsachenbehauptungen“ im Forum zu finden seien. Für den Anwalt ist das Heise Urteil vom LG Hamburg bereits „gefestigte Rechtssprechung“.

Sollte das Urteil des LG Hamburg weiterhin bestand haben, so sehe ich schwarz für freie Meinungsäußerung im Internet. Nach Voprratsdatenspeicherung sollen nun also auch Forenbeiträge durch den Seitenbetreiber vorab gefiltert und juristisch bewertet werden. Die Vorabkontrolle ( oder sollte man besser Zensur sagen ) von Beiträgen ist ja schon bei Ask1.org mit ca 400 Beiträgen am Tag unmöglich, größere Foren müssten dann wohl demnach einen eigenen Rechtsanwalt zur Kontrolle von Forenbeiträgen einstellen.
Das Urteil des LG Hamburg ist für mich nicht Nachvollziehbar und anscheinend von Richtern gefällt worden, die keinerlei Ahnung vom Internet haben. Man darf auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt sein. Glücklicherweise hat man sich mit Heise keinen Privatmann ausgesucht, der bereits in der ersten Instanz aus finanziellen Gründen kapitulieren würde. Dieses Urteil muss aus der Welt geschafft werden und jeder der in diesen Tagen eine Abmahnung erhält, die sich auf dieses Urteil bezieht tut gut daran diese nicht zu unterschreiben.

Links:
Urteil: Heise haftet auch ohne Kenntnis für Forenbeiträge
Urteil zur Forenhaftung gegen Heise als Begründung für Maulkörbe

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5 Antworten

  1. holo sagt:

    Ja, es ist immer das selbe.
    Ein Richter – ein Spezialist auf dem Gebiet von ZPO und STPO – soll eine Entscheidung treffen, obgleich er gerade einmal den Einschaltknopf eines PC identifizieren kann. Es wird wohl Zeit, dass es für die erste Instanz spezialisierte Gerichte gibt, die kompetente (Vor)arbeit leisten. Vorarbeit für den Fall, dass es eine zweite Instanz geben sollte. Denn es ist ja nun nicht das erste Mal im Zusammenhang mit Internetfragen derartiger Blödsinn entschieden worden.
    Wobei: Blödsinn trifft es noch nicht. Der Freiheitsgedanke wird in seinen Grundfesten erschüttert.
    Ein Szenario könnte irgendwann sein, dass es Foren-ISPs geben wird, deren Sitz im Ausland (oder einer neu gegründeten Inselrepublik) sein wird – unantastbar für deutsche Internetkompetenzrichter. Der Mensch passt sich schliesslich an.
    Und noch mehr Outsourcing. Und noch weniger Binnennachfrage …

    Gruß
    Holo

  2. Anonymous sagt:

    Hat es denn bisher überhaupt eine schriftliche Urteilsbegründung gegeben? Solange die nicht explizit vorliegt, kann ja jeder in das Urteil hineininterpretieren was er will. Die beiden Abmahngeschichten sind wohl die ersten Beispiele dafür, nach dem Motto „So’n Richter hat mal irgendsowas gesagt wie dass der Forenbetreiber die Beiträge irgendwie vorher kontrollieren soll oder so, also hätte ich jetzt gerne mal 1800 Euro Anwaltsgebühren.“

  3. Wie ich bereits vor einigen Tagen im Ask1 Blog schrieb wurde das Supernature Forum OPfer einder doch recht zweigelhaften Abmahnung: Forenhaftung – Abmahnungen und Maulkörbe
    Nach jeder Menge Berichterstattung im Internet u.a. bei Heise und Golem wurde die

  4. Volltext des Urteils: http://www.r-archiv.de/article2379.html
    Das Urteil ist IMO zutreffend und deckt sich mit der BGH-Rechtsprechung zur Portalhaftung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Günter Frhr.v.Gravenreuth
    Rechtsanwalt, Dipl.Ing.(FH)

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