Das Ende von Camp Delta?

Der Oberste Gerichtshof der USA entschied am Donnerstag vergangener Woche, dass die militärischen Sondertribunale zur Aburteilung von Terrorverdächtigen im Gefangenenlager Guantanamo als illegal einzustufen sind. Während einige republikanische Politiker nun Möglichkeiten untersuchen, die Sondertribunale zu legalisieren, halten andere nach neuen Gefängnissen Ausschau.

In der Begründung seines Urteils verwies der Oberste Gerichtshof u.a. auf die Gewaltenteilung, da der Kongress zu den Tribunalen keine Zustimmung gegeben hatte: „Weder kann der Präsident die gebührende Autorität des Kongresses einschränken, noch kann der Kongress die gebührende Autorität des Präsidenten einschränken.“ Selbst im Krieg habe der Präsident keinen „Blankoscheck“. Der Richter Stephen Breyer bemerkte jedoch, dass den Präsidenten „nichts davon abhält, zum Kongress zurückzukehren, um die Autorität zu suchen, die er für notwendig hält.“
Dennoch wurde in der Urteilsbegründung auch auf die Genfer Konvention von 1949 verwiesen, welche die Behandlung von Kriegsgefangenen regelt. Die Statusfrage, ob die „ungesetzlichen Kombattanten“ als Kriegsgefangene zu behandeln sind, müsste wiederum jeweils vor ordentlichen Gerichten geklärt werden.
Der Yale- Politologe Bruce Ackerman sprach von einem „großen Triumph für Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung,“ zahlreiche Journalisten feiern den Richtspruch bereits als Präzedenzfall, der alle beruhigen sollte, die sich „um den amerikanischen Rechtsstaat sorgten“. US- Justizminister Alberto Gonzales verkündete unterdessen, dass die Entscheidung des Oberen Gerichtshofes die Fähigkeit der USA behindere, mit Terroristen zu verfahren. „Wir glauben weiterhin, dass diese Militärgerichte eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Terrorismus haben können,“ gab er bekannt. Die Vorgaben des Obersten Gerichtshofes wolle man jedoch beachten.
Ob die Entscheidung tatsächlich „eine fast fünf Jahre währende Kampagne der Machtansammlung im Weißen Haus über Nacht zunichte machen“ kann, wie bei SPIEGEL ONLINE verkündet wird, bleibt jedenfalls fraglich, denn ganz so schnell will der rechte Flügel der US- amerikanischen Politik dann doch nicht klein beigeben.
Bill Frist, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, versprach, nach seinem Urlaub Gesetzesentwürfe zur Weiterführung der Sondertribunale gegen Al Qaida- Verdächtige vorzulegen. Gleichzeitig forderte der Chestratege des Präsidenten, Karl Rove, die vermeintliche Schwäche der Demokraten (“pre-September 11 mindset“) im „Krieg gegen den Terrorismus“ noch stärker in den Vordergrund der politischen Debatten zu rücken. In dieser Hinsicht lässt sich etwa vermarkten, dass Terrorverdächtige wie Salim Ahmad Hamdan, ein ehemaliger Fahrer von Bin Laden, in Zukunft ein offeneres Verfahren bekommen sollen.
Bushs Zustimmungswerte sind inzwischen wieder auf etwa 40 Prozent gestiegen, was nicht allein der Tötung von Zarqawi, sondern u.a. auch den Diskussionen um geheime Überwachungsprogramme zu verdanken ist, die gegenwärtig relativ erfolgreich als notwendige Antiterrormaßnahmen verkauft werden können. Auch die Pläne zum Truppenabzug aus dem Irak wurden den Demokraten sehr negativ ausgelegt, obwohl ähnliche Strategien, wenn auch weniger öffentlich, ebenfalls von führenden Republikanern diskutiert werden.
Die Guantanamo- Häftlinge müssten nun entweder in US- amerikanischen Hochsicherheitsgefängnissen untergebracht werden oder zur Inhaftierung von Drittländern übernommen werden. Einem Bericht des Magazins „Focus“ zufolge sollen einige Gefangene, im Gegenzug für die Freilassung von Murat Kurnaz, einem aus Bremen stammenden Camp Delta- Gefangenen, nach Deutschland gebracht werden. Dies wurde jedoch von der Bundesregierung dementiert.
Angeblich verhandelt die Bush- Administration nun u.a. mit Afghanistan wegen einer möglichen Übergabe von Häftlingen. Eine afghanische Delgation hatte unlängst die Haftbedingungen im Camp Delta als „human“ bezeichnet: „Was wir gesehen haben, war in Ordnung,“ meinte Delegationsleiter Abdul Dschabar Sabhet vom afghanischen Innenministerium.

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