Padua, eine futuristische Dystopie – Staatliche Ghettoisierung gesellschaftlicher Minderheiten?

Die Science-Fiction bot uns immer wieder Schreckensbilder futuristischer Weltordnungen: George Orwells Klassiker 1984 bot uns so zum Beispiel eine Einparteiendiktatur, in welcher der Großteil der Bevölkerung, die arbeitenden Proles, systematisch von den Staatsorganen verdummt und mit kulturellem Schund wie Schlagern betäubt wird und die krassen sozialen und politischen Ungleichheiten durch einen immerwährenden Krieg begründet werden, der weder Luxus noch Sicherheit zulassen. .
Auch im ersten Teil der PC-Spiel-Legende Deus Ex werden in einer nahen Zukunft die armen Teile der Bevölkerung in eigenen Stadtteilen unter Verschluss gehalten und sterben durch eine geheimnisvolle Seucheeinen grausamen Tod, während eine plutokratisch-kapitalistische Gesellschaft, von verschiedenen weltumspannenden Organisationen gesteuert und erpresst, als weitestgehend einzige die Möglichkeit hat, sich mit einem Gegenmittel zu versorgen, ohne jedoch dieses Glück auch den unteren Schichten zukommen zu lassen.
Die Bilder, die heute um die Welt gingen, weisen vielleicht schon einen nebelhaften Weg in ähnliche Verhältnisse:
Die Stadt Padua ließ einen als Ausländerviertel mit hoher Kriminalität bekannten Stadtteil ganz einfach mit einer drei Meter hohen Stahlmauer hermetisch abriegeln. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass die italienische Polizei der Verbrechen und des Drogenhandels nicht mehr Herr werden konnte. Selbst umliegende Stadtteile wurden von den Wellen der Gewalt erfasst. Der Großteil der Bewohner dieses Problemviertels soll aus illegalen Immigranten aus Afrika bestehen.
Für die misslungene Integrationspolitik zahlte Padua einen doppelten Preis: Zum einen den Abfall hoffnungsloser Einwanderer in die Kriminalität und den damit verbundenen Schrecken in den umliegenden Bezirken, zum anderen die massive Einschränkung der betroffenen Bevölkerung. Herein und heraus kommt man aus diesem Viertel nur noch über Checkpoints, an denen bewaffnete Polizisten Wache stehen.
Doch welche Perspektive haben schon illegal eingewanderte Ausländer in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, dessen Kultur sie nicht kennen, in dem sie keine normale Arbeit bekommen können? Padua hat es versäumt sich in den letzten Jahren um diese Fragestellungen zu kümmern, nachhaltige Lösungen für sie zu finden und aktiv anzuwenden.
Der Fall Padua ist ein trauriger Vorzeigefall, der sowohl als Sinnbild für mangelndes Administrationsengagement, als auch für die fortschreitenden Einschnitte in den Grundrechten der industrialisierten Welt steht. Denn, auch wenn die nun hinter Stahl zusammengepferchten Personen keine europäischen Staatsbürgerschaften besitzen, so haben sie doch den Anspruch auf Wahrung der menschlichen Grundfreiheiten.
Die Menschen des entstandenen Ghettos werden sowohl ihrer persönlichen Freiheit als auch der Gleichberechtigung aller Menschen beraubt; sie werden nämlich als gesellschaftlicher Dreck in Medien und Presse dargestellt und in ihrer Gesamtheit zu Verbrechern verallgemeinert, was der eigenen Persönlichkeit eines jeden Individuums nicht gerecht wird.
Nun kann man schon kritische Stimmen hören: “Schließlich muss doch die umliegende Bevölkerung vor gewalttätigen Übergriffen geschützt werden?!“ – Meine Antwort darauf ist: “Ja wer hat es denn soweit kommen lassen? – Der Staat!“Die Probleme zu bekämpfen und wegzuschließen anstatt ihre Ursachen im Keim zu ersticken, ist eine der fehlbarsten Handlungsweisen überhaupt; sie löst das Problem nicht dauerhaft – im Gegenteil – sie verschärft zumeist die Situation, auch wenn der Öffentlichkeit normalerweise der Misserfolg verborgen bleibt; erst wenn der mit einem Korken gestopfte Vulkan auf Grund des Überdruckes wieder um so heftiger explodiert, wird man sich wieder mit diesem Problem beschaffen. Doch dann kann es schon zu spät sein.
Nicht zuletzt haben uns auch die Unruhen in Pariser Vororten Ende 2005 gezeigt, was geschehen kann, wenn man sich nicht stärker um konstruktive, nachhaltige Immigrationspolitik präventiv kümmert.
Eine Mauer aus Stahl wird Padua nicht retten.
Im Gegenteil: Man muss versuchen, so viele Mauern wie möglich zwischen Fremden und Einheimischen einzureißen.
Das kann nicht von heute auf Morgen geschehen, sondern ist ein lang andauernder Prozess.
[edit:] Link zu einem Artikel auf heute.de

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3 Antworten

  1. streicher sagt:

    Beeindruckend, dieser Stadtteil wird ein Mittelding zwischen einer Wohnstätte und einem Gefängnis. Wie stark ist die italienische Gesellschaft integrationsfähig? Leider hat die italienische Politik hier und da einen Hang nach rechts. Das Problem ist ein vertraktes, denn mit der Kriminalität verbunden ist die Arbeitslosigkeit und Armut. Die Bevölkerung dieses abgeriegelten Stadtteils wollte eigentlich der Armut in ihren Heimatländern entkommen.

  2. dersteven sagt:

    ich finde den vergleich zur berliner mauer etwas zu überzogen. die mauer in padua ist grade mal 84m lang und schließt das „viertel“ nicht ein, sondern trennt einen straßenzug von einem anderen ab.
    nichts desto trotz ist die situation erbärmlich und solche „getthos“ bilden sich in allen größeren städten in denen die gesellschaft sich keine mühe gibt minderheiten zu beachten, zu respektieren und ihnen die möglichkeit zur eingliederung gibt.
    traurige sache für die es leider keine standardlösung geben kann.
    der kommentar „Kapitulation vor dem Verbrechen“ ist da schon ganz passend
    wer gibt sich nach einem solchen schritt bitte noch die mühe eine langfristig andauernde lösung zu finden, die auch den bewohnern des abgetrennten viertels gerecht wird?

  3. subabrain sagt:

    Hallo,
    ja es ist leider wirklich erbärmlich wie wir mit den Problemen der Welt umgehen.
    Und gerade die Medien zerfallen immer mehr dem Lobbyismus und werden somit subjektiver in der Aussage bzw. in der Auswahl ihrer Inhalte.
    D.h. man redet zum Beispiel nicht darüber, dass die Afrikaner genau so das Recht haben zu Leben wie wir Europäer!
    Sondern gibt sich besorgt – als hätte man etwas zu verlieren, anstatt es konstruktiv zu lösen.
    Und vorallem die Italiener welche dann die „Mafia“ dafür verantwortlich machen wollen – sollten sich mal an der eigenen Nase fassen.
    Aber das Problem liegt wohl eher daran, dass jeder versucht soviel Macht wie möglich zu behalten, bzw. sein Luxusleben weiterführen zu können (was bis dato ja auch recht gut geklappt hat).
    Also wenn man das Problem wirklich lösen möchte muss man zum Umdenken und Abgeben bereit sein!
    Und der Vergleich mit einem PC Spiel kann man leider immer öfter ziehen auch was zum Beispiel den Überwachungsstaat bzw. die Computer Gesellschaft angeht (The Moment of Silence).
    In diesem Sinne
    Ask1 Fan
    Robert
    PS: sorry wenn ich jetz etwas ausgeschweift bin aber so bin ich halt 😉

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