Im Schleier der Grünen Zone

Die frohen Botschaften der Bush-Administration aus und über den Irak wurden in jüngster Zeit von zahlreichen US-Politikern beider Lager bestätigt, die dem Zweistromland in den letzten Monaten einen Besuch abgestattet haben. Veröffentlichungen des US-Rechnungshofes (Government Accountability Office) jedoch scheinen dem zu widersprechen und ziehen eine ernüchternde Bilanz. Verantwortlich für übertrieben positive Berichte US-amerikanischer Politiker soll der sogenannte „Green Zone Fog“ sein – die Beeinflussung der politischen Touristen durch die umfassende PR-Arbeit des Militärs.Fehlende Quellenangaben
Der tägliche Durchschnitt an Attacken gegen Zivilisten ist seit Februar 2007 unverändert hoch, die Anzahl der „intern Vertriebenen“ (Internally Displaced Persons) ist weiter steigend. Auch das Problem der anhaltenden ethnischen Säuberungen konnte, obwohl viele Stadtteile u.a. in Bagdad bereits „gesäubert“ wurden, kaum eingedämmt werden. Die Anzahl der zivilen Opfer ist im Monat Juli stark (von 1.227 auf 1.753) und im August minimal (von 1.753 auf 1.773) gestiegen. Für das US-Militär war der Sommer des laufenden Jahres der tödlichste seit der Invasion: in den Monaten Juni, Juli und August kamen im Jahr 2007 insgesamt 260 Soldaten ums Leben, gefolgt vom Sommer 2005, in dem die Armee 217 Opfer zu beklagen hatte, und dem Sommer 2006, in dem 169 Verluste verzeichnet wurden.
Dennoch nehmen die postiven Verlautbarungen über eine angeblich festzustellende Reduktion der Gewalt nicht ab. Den von General Patraeus im Interview mit dem Australian getätigten Aussagen, die Gewalt wäre seit vergangenem Jahr sogar um 75 Prozent zurückgegangen, konnte schließlich auch David Walker vom US-Rechnungshof nicht so ohne Weiteres zustimmen:
„Ohne ins Detail gehen zu wollen, sagen wir einfach, dass es mehrere unterschiedliche Quellen innerhalb der Administration zur Gewalt gibt. […] Ich weiß nicht, was General Patraeus ihnen präsentiert. Ich weiß nicht, welche Quellen er nutzt.“
Walker hatte sich nach den Daten erkundigt, bekam jedoch keinerlei Informationen. Nicht unmöglich ist zumindest, dass in jüngster Zeit ein relativer Rückgang der Gewalt in Bagdad belegt werden konnte, der von Kommentatoren teilweise durch den „Erfolg“ der ethnischen Säuberungen erklärt wird. Wie Patraeus zu seinen 75 Prozent gekommen ist, könnte sich möglicherweise kommende Woche aufklären, wenn Patraeus vor dem Kongress Bericht zu erstatten hat.
Tod durch PowerPoint
Die demokratische Kongressabgeordnete Ellen O. Tauscher warnte nach ihrer Rückkehr aus dem Irak eindringlich vor einem „physiologischen Phänomen“, dass sie als „Green Zone fog“ bezeichnete. Tauscher zielt mit dieser Bezeichnung auf die Propaganda des US-Militärs ab, die auf alle Polit-Touristen im Irak in Form von PR-Vorträgen, sorgfältig ausgewählten Informationen und PowerPoint-Präsentationen einprasselt. Es sei „sehr, sehr einfach“ sich von dem Mantra, dass die Dinge nun besser seien, beeinflussen zu lassen: „Es ist Tod durch PowerPoint. Es geht immer darum, dass ihre Argumentation gewinnt.“
Auch CBS-Moderatorin Katie Couric kehrte jüngst von einer Reise in den Irak zurück. Ihr Urteil fiel positiv aus. Fortschritte, Hoffnung, Zeichen eines friedlichen Alltags. Doch sie merkte immerhin an, dass sie wahrscheinlich nicht alles gesehen hat: „Natürlich war es das, was mich das US-Militär sehen lassen will, wie man sich immer klar machen muss.“ Ihr Fazit blieb optimistisch. Es gebe zweifellos Gebiete, in denen sich die Situation verbessere.

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