OECD fordert Bildungsreformen
Und wieder mal gibt es Kritik am deutschen Bildungssystem – diesmal erneut von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zwar ist der Bericht, den die OECD veröffentlichte kein Expertenreport, dennoch kann man die Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge nicht von der Hand weisen:
– in Deutschland gibt es kaum Chancengleichheit, weil die Kinder schon viel zu früh auf die verschiedenen Schulformen aufgeteilt werden,
– Eltern ein Betreuungsgeld zu zahlen, wenn sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken, wird von der OECD als Fehler angesehen, da so die frühkindliche Bildung leiden könnte,
– die Ausbildung von Erziehern, vor allem für Kleinkinder, ist nicht ausreichend
– Lehrer sollten nach Leistung bezahlt werden,
– zudem gibt es in Deutschland zu wenig Studierende.Meiner Meinung nach geht der OECD-Bericht durchaus in die richtige Richtung. Im deutschen Bildungssystem läuft einiges schief. Dies beginnt schon bei der Ausbildung der Erzieher für Kindergärten und -krippen. (Btw: Sofern man den Berichten von zwei Bekannten von mir, die das gelernt haben, glauben schenken kann, werden schon mal ABM-Kräfte für den Kindergarten genutzt. Diese sind entweder überfordert, genervt oder schlicht desinteressiert. Ungelernte ABM-Kräfte zur Kindererziehung nutzen? Hallo, geht’s noch? Merke auf: Es ist ein Unterschied, ob man Erzieher ist und gelernt hat, sich mit 30 Kindern zu beschäftigen, oder ob man eine Mutter ist, die es normalerweise „nur“ mit zwei Kindern zu tun hat.)
Wie schaut die Ausbildung zum Erzieher nun aus? Zunächst mal ist die Männerquote sehr gering. Das mag nicht unbedingt von Nachteil sein, könnte allerdings zu einer Benachteiligung der Jungen führen. Das soll nicht heißen, dass das bewusst erfolgt – aber laut mehrerer Studien wird ein „männliches“ Verhalten eher negativ betrachtet, als ein „weibliches„. Und den Jungen könnte so die viel zitierte männliche Orientierungsperson fehlen.
Wesentlich schlimmer ist aber, dass man bei der Ausbildung zum Erzieher wenig Kontakt mit Kindern hat. Das meiste wird einem über die Theorie nahe gebracht. Man verstehe mich nicht falsch: Ich möchte nicht, dass man Nachwuchserzieher sofort auf die Kleinkinder loslässt, oder dass sie direkt am „Objekt“ lernen sollen. Aber lediglich zwei dreiwöchige Praktika in zwei Jahren Ausbildung? Eindeutig zu wenig. Und das man als Erzieher keinen Mathematikunterricht mehr machen muss, ist für mich auch nicht so recht nachvollziehbar, auch wenn es in diesem Beruf eher um die emotionale Intelligenz geht. Denn eine gewisse Voraussetzung für die Schule sollte hier – wenn möglich auf spielerische Weise – schon geschaffen werden.
Hat man die Ausbildung zum Erzieher dann geschafft, sieht man sich den Problemen zu großer Kindergartengruppen, ihrer Kinder und die damit einhergehende Verantwortung abschiebende Eltern und zu wenig Bezahlung ausgesetzt. Alles nichts, was die Motivation fördert. Auch mit Weiterbildungen sieht es mau aus, sodass man es im Kollegenkreis schon mal mit Leuten zu tun haben kann, deren Erziehungsstil eher antiquiert wirkt.
Schwupps ist das Kind in der Grundschule. Die Tests zur Eignung sind hier allerdings recht lasch, wenn es denn überhaupt welche gibt. Ein Test der Deutschkenntnisse und des grundlegenden mathematischen Verständnisses sollte schon durchgeführt werden – und dieser sollte sich nicht nur auf Kinder mit Migrationshintergrund beschränken, sondern alle Kinder einbeziehen. Schafft ein Kind den Test nicht, sollte er Nachhilfe bekommen und den Test nach zwei Monaten nachholen. Wer dann wieder durchfliegt, muss ein Jahr warten und hier müsste dann überprüft werden, warum das Kind zweimal durch den Test geflogen ist. Sind die Kinder in der Schule, sollte es Ganztagsbetreuungsangebote geben – keine Pflicht, aber die Möglichkeit den Kindern den ganzen Tag eine Betreuung anzugedeihen. Vormittags Schule, danach sportliche Aktivitäten und anschließend ein Hort mit Hausaufgabenbetreuung. Künstlerische und musische Aktivitäten könnten dann in die Nachmittagsstunden gelegt werden.
Besonders schlimm wird es dann ab der fünften Klasse. Die schon recht frühe Unterteilung und Selektion in Haupt-, Real- und Gymnasialschüler, die gemäß OECD in keinem Land so sehr vom sozialen Status abhängt wie in Deutschland, führt dazu, dass schlechte Schüler schlecht bleiben und sich schon früh ein Milieu bildet, das nur in eine Richtung zu zeigen scheint: Richtung Arbeitslosigkeit. Oftmals betrifft das Familien mit Migrationshintergrund, was einige Leute auf den Trichter bringt, dass das ein Ausländerproblem sei – dass die aufgrund eines schlechteren sozialen Status stärker am eigentlichen Problem Bildungspolitik leiden, wird dann meist ignoriert, kann man doch so wunderbar pauschalisieren, einfache Lösungen aufzeigen und einer nicht so wichtigen Wählergruppe die Schuld geben.
Die Gymnasiasten haben andere Probleme: Durch die stümperhaften und schnellschussartigen Einführungen eines 12-Jahre-Abis, gibt es Schüler/innen, die ein Arbeitspensum von 40-45 Stunden in der Woche haben – wären sie Angestellte, Gewerkschaften wären entsetzt. Es hilft nun mal nichts, einfach ein Jahr zu streichen, die Lehrpläne aber gleich zu lassen. Hier wären Anpassungen und Entschlackungen notwendig. Zumal sich das Lernen im Abitur oftmals als intellektuelle Bulimie erweist: Erst reinschlingen, zum Test rauswürgen und dann lieber schnell vergessen – der nächste Test wartet schließlich schon. (Ironisch könnte man anmerken, dass man so zumindest schon auf Bachelor-Studiengänge getrimmt wird, bei dem das selbstständige Arbeiten eher in den Hintergrund rückt.)
Überhaupt ist die Verkürzung meines Erachtens nach albern: Die Menschen werden statistisch immer älter, müssen auch immer länger arbeiten – kommt es da auf das eine Jahr mehr oder weniger wirklich an? Qualität vor Quantität, kann ich da nur sagen. Während sich die Hauptschüler immer mehr selber aufgeben und ihnen kaum eine Chance bleibt, sich sozial von den Eltern zu emanzipieren und die Gymnasiasten sich schon mit Migräneanfällen und Magengeschwüren rumplagen, hängen die Realschüler irgendwo dazwischen. Sie lernen zwar mehr als so ein Hauptschüler, auf dem Arbeitsmarkt bringt ihnen das trotzdem nicht unbedingt was: selbst für eher einfache Arbeiten wird heutzutage schon ein Abitur gefordert.
Ideen wie man das verbessern kann? Gute Frage! Die Aufteilung zwischen Haupt- und Realschule sollte wegfallen, dafür sollte es hier mehr individuelle Förderung geben. Man sollte in jedem Jahr die Chance haben, aufs Gymnasium zu wechseln – allerdings nur auf einen unteren Jahrgang und nur nach einem Test (7. Klasse Realschule – Test bestanden – 6. Klasse Gymnasium). Ab der 8. Klasse sollte es stärkere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft geben, praktischer Unterricht sollte gefördert werden. Bei den Gymnasiasten sollten die Lehrpläne entschlackt werden – eine individuelle Förderung sollte es hier ab dem 8. Jahr geben. Die Abschaffung von Kursen ist imo albern – sie sollten beibehalten werden, allerdings sollten grundlegende Fächer wie Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache Pflicht sein. Das Abitur sollte ein Zentralabitur sein.
Ein weiteres Problem: Lehrer. Nicht selten demotiviert, unterbezahlt, geradezu genervt. Was tun? Mehr Bezahlung, weg mit etwaigem Beamtentum, Vereinbarung von Mitarbeiterzielen und deren Überprüfung. Einführung von überraschenden Tests in Klassen und das Ziehen von daraus resultierenden Konsequenzen. Pflicht zu Seminaren und Einführung eines periodisch zu erneuernden Erziehungs- und Lehrführerscheins. Zudem sollten Menschen, die auf Lehramt studieren, schon früh Praktika an allen drei bzw. zwei Schulformen machen – einerseits, um festzustellen, dass das überhaupt was für die entsprechende Person ist, andererseits, um deren Qualifikation festzustellen.
Eine Ganztagsbetreuung auch nach der Grundschule wäre bis zu einem gewissen Alter wünschenswert, muss aber natürlich finanziell, räumlich und personell zu schultern sein. Dass es Schulen gibt, die im Rahmen des G8 (Fachjargon für die Abiturverkürzung) ihren Schülern zwar abverlangen, bis 16.00 Uhr Unterricht zu haben, aber keinerlei Möglichkeit des vernünftigen Mittagessens anbieten, ist für mich ein Unding.
Damit es nun mehr Studierende gibt, müssen auch hier Anreize geschaffen werden. Die Einführung von Studiengebühren gehört nun nicht unbedingt dazu. Hier ist der Vorschlag der OECD echt begrüßenswert: Die Rückzahlung von möglichen Darlehen sollte sich an den Verdiensten und Stellungen nach dem Studium orientieren. Die Verkürzung von Studienzeiten durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen ist zwar prinzipiell sinnvoll, doch … nun ja, ich erwähnte die intellektuelle Bulimie ja bereits.
Wissenschaftliches und selbstständiges Arbeiten erfordert nun mal einen gewissen Zeitaufwand. Und diese Zeit sollte auch gewährt werden. Hingegen halte ich die Regelung, dass es für Klausuren feste Termine und nur die Möglichkeit einer Wiederholung gibt, für sinnvoll. Man könnte es hier aber evtl. so machen, dass es bestimmte Kernfächer gibt, in denen diese Regelung Anwendung findet und Fächer, die eher eine laschere Klausurregelung haben. Und, um Gotteswillen, Dozenten sollten zumindest irgendeine Form von didaktischem Nachweis erbringen müssen: Einfach nur von Folien ablesen und so den Studenten 500 Seiten-Skripte zumuten, ohne auch nur auf eine Frage einzugehen, ist keines Doktoren oder Professors würdig.
Natürlich ist das kein wirkliches Konzept und Bildungspolitik ist auch nicht unbedingt mein Spezialgebiet. Daher erhebe ich auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder auf objektive Richtigkeit. Aus meiner Sicht machen meine Vorschläge aber Sinn. Wer andere Ideen hat oder meine Vorschläge zerpflücken will, es kann fleißig im Forum diskutiert werden:
http://www.ask1.org/post492018.html#492018
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