„aktion europa“ – Bürgerforen

Versteckt und der breiten Öffentlichkeit weitgehend verborgen, soll Europa mittels der sogenannten Bürgerforen bekannter gemacht werden – ein Paradoxon?!

„Mit der "aktion europa" möchten Bundesregierung, Europäische Kommission und Europäisches Parlament zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland in einen Dialog über Europa treten. Das können sie nur mit den zahlreichen engagierten Akteuren vor Ort. Wir laden daher die Bürgerinnen und Bürger sowie Länder, Städte und Gemeinden, die sich mit europapolitischer Öffentlichkeitsarbeit befassen ein, sich als Netzwerkpartner der "aktion europa" anzuschließen und Projekte unter ihrem Dach durchzuführen. Denn nur gemeinsam können wir etwas erreichen!“ – so äußert sich Günter Gloser, Staatsminister für Europa, Auswärtiges Amt auf der Portalseite der „aktion europa“ (www.aktion-europa.de). Und an anderer Stelle heißt es auf derselben Seite: „Die Bundesregierung hat die Initiative "aktion europa" in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament als Netzwerk ins Leben gerufen. Mit der "aktion europa" will sie die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in einen intensiven Dialog über Europa einbinden und ihren Erfahrungen, Meinungen und Erwartungen zum Thema Europa eine Plattform bieten.“

Hinter dieser Ankündigung verbergen sich in erster Linie zwei konkrete Umsetzungen: zum einen die Einrichtung der oben genannten informierenden Web-Seite zum Thema („begleitende Online-Prozesse, [wodurch die Menschen] europaweit miteinander vernetz[t werden]“) und zum anderen die Ausrichtung sogenannter „Bürgerforen“ – einmalig zweitägiger Veranstaltungen, die in einigen Städten Europas stattfanden, darunter auch in insgesamt neun deutschen Städten. „Gemeinsam mit neun deutschen Städten veranstalten die Bundesregierung, die EU-Kommission und das Europäische Parlament im Rahmen der Aktion Europa ab Herbst 2008 Bürgerforen zum Thema „Die wirtschaftliche und soziale Zukunft Europas“.“

Nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Einwohner der neun Städte bekamen daher unerwartet eine Einladung zu einem Bürgerforum – die meisten von ihnen hörten dabei wohl zum ersten Mal von der „aktion europa“. Insgesamt etwa 50 „normale Bürger“ pro Stadt erhielten so die Möglichkeit, während des Bürgerforums – in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen eingeteilt – über ihre Ideen und Vorschläge für Verbesserungen der Europapolitik unter Anleitung eines Diskussionsleiters zu diskutieren – bzw. allgemein natürlich auch über ihre Ideen und Vorstellungen von Europa zu reflektieren. Wer sich je gewundert hat, warum manche Gesetze, sagen wir mal, schwammig verabschiedet werden, konnte durch die Diskussionen an den beiden Tagen des jeweiligen Bürgerforums politische Entscheidungsprozesse „im Kleinen“ selbst nachverfolgen – dem Bemühen, zunächst in der eigenen Arbeitsgruppe und dann noch einmal unter allen anwesenden Bürgern einen Konsenz der Forderungen zu den einzelnen Themen zu erreichen, fielen schlussendlich meist die eher radikaleren Positionen zum Opfer – heraus kam dann im besten Falle ein Konsenz, mit dem zumindest die Mehrheit der Anwesenden einverstanden war. Die so gefilterten Vorstellungen von der zukünftigen Entwicklung Europas und Forderungen an die Europapolitik wurden auf jedem einzelnen Bürgerforum zuletzt in einer Bürgererklärung niedergelegt, die den anwesenden Politikern unterbreitet und mitgegeben wurde, auf dass sie ihren Weg zu den Europapolitikern finde. (Die Bürgererklärungen der einzelnen Städte stehen auf www.buegerforen.de auch zum Download für jedermann zur Verfügung).

Die Ziele der Bürgerforen waren hoch gesteckt:

„Bürgerinnen und Bürger können sich dabei im direkten Austausch mit Entscheidungsträgern aktiv in den europäischen Dialog einbringen und ihrer Stimme Gehör verschaffen und gemeinsam Bürgererklärungen verfassen, die an anwesende Politiker übergeben werden.“

„Ziel der Bürgerforen ist es, Europa vor Ort erfahrbar zu machen, einen Bezug zwischen „Europa“ und der Lebenswirklichkeit der Menschen herzustellen sowie den Austausch zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern zu intensivieren.“

„Die Bürgerforen in Deutschland sind Teil eines deutschland- und europaweiten Bürgerbeteiligungsprozesses zur Zukunft Europas, der mehrere tausend Menschen einbinden […] wird. Die Arbeitsergebnisse aus den deutschen Städten werden direkt in den europaweiten Dialogprozess einfließen.“

„Und nicht nur das, sondern wir wollen gemeinsam überlegen, in welchem Europa wir zukünftig leben wollen.“

Interessant ist es, diesen Vorstellungen der Politiker die Erfahrungsberichte der Menschen, die an einem solchen Bürgerforum teilgenommen haben, gegenüber zu stellen. Manches Positive, jedoch auch zahlreiche kritische Stimmen sind zu hören, insbesondere was die Effektivität eines solcherart gestalteten Bürgerforums angeht:

So fragte sich ein Teilnehmer „was die Europapolitik mit der so genannten Bürgererklärung (und den in anderen Städten verfassten Erklärungen) anfangen soll. Für mich sind sie, bis auf wenige Ausnahmepunkte, eine Ansammlung von Allgemeinplätzen, die man auch anderswo nachlesen kann, in jedem Fall aber ohne großen Erkenntniswert. Hintergrund der Veranstaltung war -so wurde es zumindest in den Eröffnungsreden geschildert- das erschreckend geringe Interesse der Bürger an Europa (Wahlbeteiligung Europawahl in Mönchengladbach 33%, in dem vorherigen Veranstaltungsort Potsdam 22%). Wäre es da nicht nahe liegend gewesen, in einer strukturierten Diskussion die konkreten Gründe für die weit verbreitete Europaaversion an der Basis zu erforschen und das Ergebnis den Europapolitikern auf den Tisch zu legen? Es kann doch nicht der Sinn der Veranstaltungen und der sicher nicht niedrigen Kosten sein, jeweils 50 Bürgern eine Diskussionsplattform zu bieten, ohne das dabei Wesentliches herauskommt. Zumal es bei den Diskussionen zum großen Teil um Innenpolitik ging. Das galt auch für die Abschlussdiskussion mit Politikern. […] Ich habe meine Kritik auch auf der Veranstaltung geäußert und stand damit (zumindest nach außen) zugegeben ziemlich alleine. Aber auch mit einigen Tagen Abstand bleibe ich dabei: mit den Veranstaltungen in dieser Form ist eine Chance vertan worden. Die Wirkung der Bürgerforen wird Null sein.“

„Es herrschte Konsens, dass vor allem auch über Europa (was machen die in Brüssel und Strassburg eigentlich, wie laufen Entscheidungsprozess ab, wer hat welche Entscheidungen zu verantworten, welche Auswirkungen haben Brüsseler Entscheidungen auf unser tägliches Leben, etc.) zu wenig Informationen bei den Bürgern ankommen und dass zu einer umfasssenden Bildung und damit auch der Bildung eines europäischen Bewusstseins dieses Wissen dazugehört und dringend notwendig ist.“

„Eine Forderung des Bremer Bürgerforums wandte sich deshalb an die Presse mit dem Anspruch, zusätzlich zu Lokal-, Regional-, und Weltnachrichten eine regelmäßige Seite zu "Europa" einzurichten. Leider fand dies in der Berichterstattung zum Bürgerforum keine Erwähnung. Interessanterweise klopfte sich aber der Bremer Weser-Kurier kurz
darauf am 7.2. selbst auf die Schulter, mit dem Bericht über eine Studie, in welcher auf die Wichtigkeit der Tageszeitung für die Information der Bürger über lokale und regionale Ereignisse verwiesen wurde. Auf einen daraufhin formulierten Leserbrief mit obigem Inhalt bekam ich leider keine Antwort und es ist zu befürchten, dass die Zeitungsverlage sich diesem Auftrag aus vielerlei Gründen entziehen werden.“

Weitere aufgekommene Kritikpunkte an den Veranstaltungen waren u.a. auch Zweifel daran, dass es um die Umsetzung der Bürgererklärungen gut bestellt wäre – die Oberflächlichkeit mancher teilnehmenden Politiker bezüglich der Bürgererklärungen – und die Vermutung, dass die ganze Aktion vielleicht letztlich nur eine Wahlkampfveranstaltung für das sogenannte Superwahljahr 2009 gewesen sein könnte.

Auch wenn die Auswirkungen der Bürgererklärungen auf die Europapolitik letztlich minimal sein dürften, so haben die Veranstaltungen doch zumindest eines bewirkt: Die anwesenden Bürger haben sich zwei Tage lang intensiv mit dem Thema „Europa“ auseinandergesetzt, über Europa nachgedacht, und sich zumindest für diese zwei Tage lang mehr oder weniger in die Politik eingebunden gefühlt. Bei manchen, so darf man wohl mutmaßen, wurde dadurch eine Sensibilisierung für Europa und deren politische Belange geschaffen.

„Aber ich überschätze die möglichen Effekte auch nicht: es war nur ein MODELL von Bürgerbeteiligung, also eine Probe. Leider auch nicht von den Bürgern selbst organisiert, denn so könnte ja die Vernetzung, die Nachhaltigkeit des Engagements, und die Kontrolle der Umsetzung von Forderungen viel besser erfolgen. Also: nicht auf den nächsten Zufall warten, in einem Modell mitspielen zu können, sondern sich unter Bürgern, Initiativen und Vereinen vernetzen, und dadurch wirkliche Bürgerbeteiligung besser und effektiver einfordern!“

In diesem Zusammenhang erscheinen solche Bürgerforen vielleicht zumindest eine Möglichkeit, Menschen „wieder an die Politik heranzuführen“ – durch turnusmäßige Wiederholungen solcher Bürgerforen bsp. auch auf kommunalpolitischer, landespolitischer oder auf bundespolitischer Ebene.

Was jedoch nützt die Erkenntnis der eingeladenen Bürger, dass Europa gar nicht weit weg, sondern schon längst angekommen ist? Was nützt das alles den Milllionen von Bürgern, die nicht zufällig eingeladen waren? Mit etwas Wohlwollen bleibt zu vermuten, dass diese Veranstaltungen eine Art Multiplikatorensystem intendieren, dass die Teilnehmer das Thema „Europa“ auf ihr eigenes Umfeld übertragen, und dadurch schlussendlich doch noch ein größerer Kreis von Personen erreicht wird…

 

alle Zitate aus:

www.buergerforen.de

www.aktion-europa.de

weitere Infos zudem auf:

http://www.europarl.de/export/index.html

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