Rückführung – Ein Praxistest in Berlin
Wie kommt ein halbwegs vernünftiger Mensch auf die absurde Idee sich tatsächlich in die Hände eines selbsternannten „Rückführungstherapeuten“ zu begeben?
Der große Tag der Rückführung – Wer war ich wirklich?
Nach der Rückführung – Bin ich nun ein andere Mensch?
Ein nass-grauer Sonntag im Winter morgens um 10 Uhr in einer heruntergekommenen Gegend Berlins. Schon auf der Hinfahrt war kaum eine andere Menschenseele zu sehen, mein Beifahrer und ich waren in Schweigen gehüllt und hingen unseren Gedanken nach. Mein Highlight an diesem verregneten Morgen war der Coffee to-go, er versüßte mir die Wartezeit, denn wie immer war ich viel zu früh.
Seit letzter Woche stand der Termin fest an welchem ich mit meinen früheren Leben konfrontiert werden sollte. Um ehrlich zu sein hatte ich schon länger das Interesse und beschäftigte mich zumindest in der Theorie mit dem Thema Reinkarnation. Ich hatte meinem Begleiter gegenüber einst diesen Wunsch geäußert und er hatte mir prompt einen Termin beim preiswertesten/billigsten „Rückführungstherapeuten“ Berlins besorgt. Falls es ein Flop werden sollte, so könnte man sich über alles ärgern, aber wenigsten nicht wegen des verlorenen Geldes.
20 Minuten später standen wir vor der uns genannten Adresse – wo verdammt nochmal ist das richtige Klingelschild? Schließlich entdeckten wir in Form einer ganz und gar nicht ansatzweise mystisch wirkenden Krickel-Krakel Kugelschreiberschrift den uns mitgeteilten Namen. Ich klingelte und es passierte nichts. – Minuten später –
Aus der prähistorischen, grau-verdreckten Klingelanlage krächzte nun endlich eine undeutliche Stimme, die uns Einlass versprach. Langsam wurde ich nervös. Trotzdem nannte ich meinen Namen und verwies auf unseren Termin. Das Treppenhaus eng, schmutzig, braun gehalten. Egal in der 3. Etage erwartete uns jemand. Erst mal Schuhe aus.
Seine „Wohnpraxis“ war im Gegensatz zum Treppenhaus hell und freundlich, wenn man denn dem weissen IKEA Style etwas abgewinnen kann. Zuerst traten wir in den Wartebereich/Arbeitszimmer und nahmen auf dem weißen Relaxsessel MALUNG platz und schauten auf das Bücherregal VESTBY wo wundervolle Titel wie „Das große Buch der Delphine“ oder „easy Fußreflexzonenmassage: Für jedes Alter, an jedem Ort, zu jeder Gelegenheit“ offeriert wurden.
Freundlicherweise wurde uns ein Glas stilles Wasser (ich vermute Leitungswasser) angeboten, während Phil, mit dem ich die nächsten drei Stunden meines jetzigen Lebens verbringen würde, sich in seine Privatgemächer zurückzog und uns dann weitere 20 Minuten Zeit ließ die überwältigenden Eindrücke auf uns wirken zu lassen.
Annähernd 20 Minuten waren wir von folgendem Anblick gefesselt:
Wir stellten uns Fragen wie: Wer trägt diese Engelsflügel? Und wann? Muss ich sie etwa während der Seance tragen oder bringen Sie einfach nur Glück?
Endlich kam Phil mit einer überdimensional großen und übertrieben häßlichen Tasse voll „leckeren“ Karo Schonkaffees zurück um ein professionelles Vorgespräch zu führen. Meine Aufmerksamkeit galt jetzt nicht mehr den Engelsflügeln, sondern war nun auf andere Seltsamkeiten gerichtet.
Wo soll ich bloß anfangen? Am besten bei diesem Stirnband aus Leder samt Zierschnalle, welches die wallenden Haare des ca. 30jährigen Mannes zurückhielt. Ich weiß nicht was schlimmer war, eben dieser wundersame Haarschmuck oder die bunte Lama-Schurwoll-Strickjacke, vermutlich ein Mitbringsel eines nepalesischen Selbstfindungstrips. Der Pelzkragen umrahmte sein markantes Kinn und ließ die Strickjacke noch seltsamer wirken.
Aber ehrlich gesagt machte Phil einen sehr sympathischen Eindruck – locker, aufgeschlossen, vertrauenswürdig, gefühlsbetont. Mit ruhiger, netter Stimme fragte er nach den tieferen Gründen meines Besuches. Recht erstaunt wirkte er, als ich ihm mitteilte, dass ich einfach nur aus Interesse und Neugierde hier bin und nicht wie andere, so seine Erzählung, wegen eines unheilbaren Tumors seine Hilfe benötige, den er im Regelfall in einem imaginären Feuer verbrennen könne (das ist kein Scherz) – nebst unerkannten Ängsten um endlich ein befreiteres Leben führen zu dürfen.
Er erzählte uns von zahlreichen weiteren Erfolgen, wie z.B. dem Aufklären eines Mordes an den Großeltern in diesem Leben und die Beseitigung von körperlichen und seelischen Problemen, die durch Fehler in früheren Leben entstanden seien.
Meinen Begleiter musste ich nun im Wartezimmer/Arbeitsbereich zurücklassen und begab mich vollkommen in die Hände von Phil.
Endlich im Praxisbereich angekommen. Die Einrichtung ähnlich eingerichtet wie ein Muster-Junggesellen-Schlafzimmer in Werbekatalogen für Wohntextilien. Auf jeden Fall legte ich mich in ein Bett, direkt neben dem Fenster und versuchte den Straßenlärm zu ignorieren. Durch seine vorgegebenen Atemübungen und der Vorstellung an sämtlichen Teilen meines Körpers einen Schalter umzulegen wurde ich einigermaßen ruhig gestellt, bzw. in den Alphazustand gebracht. Ich muss ehrlich sagen, dass es ganz gut funktionierte und ich fühlte mich tatsächlich entspannt. Nun kam der schwierige Teil. Zunächst sollte ich mir einen Fahrstuhl vorstellen, einsteigen, losfahren und im neuen Leben ankommen. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Nach etlichen Versuchen und beruhigenden Worten des Zeremonienmeisters konnte ich mir tatsächlich einen Fahrstuhl vorstellen – die Bilder waren nicht annähernd so real wie man sie aus Rückführungsdokumentationen kennt, aber immerhin war ich in Gedanken an einem anderen Ort.
Nun sollte ich mir eine Tür aussuchen und diese betreten. Das ganze Prozedere kann man nur schwer in Worte fassen, aber um es kurz zu machen hier ein Einblick in das was ich sah bzw. ich mir einbildete:
Kurzfassung: Ich war ein kleines Mädchen welches auf einem Piratenschiff gelebt hat. Meine Mutter hat mich aus unbekannten Gründen dem Kapitän übergeben, der wie ein Vater für mich war. In meiner Jugend habe ich heimlich was mit einem Schiffjungen angefangen, wir wurden erwischt, er war meine große Liebe, ich wurde mit ca. 17 vom Schiff verbannt. Dann kam ich zu einem Hof, als Wäscherin, heiratete den Stalljungen und wir haben unser Kind verloren, warum ist nicht ganz klar, wahrscheinlich haben wir es verkauft, ich verspürte eine Antipathie dem Kind gegenüber. Später sah ich noch einmal meine Mutter wie sie starb und konnte noch einmal ihre Hand halten. – Ende-
Das ganze zog sich über drei Stunden hin in denen mehrmals erneut die Schalter an meinen Gliedmaßen umgelegt werden mussten um wieder in den Alphazustand zu kommen.
Aber leider wurde auch ich nicht davon verschont zum Schluss meine angeblichen Blockaden im von mir erwähnten imaginären Feuer zu verbrennen nachdem ich mein höheres Selbst um Erlaubnis gefragt habe. Schön, dass es ein Feuer für alles gibt. Aber hört mal rein:
Danach wechselte das Geld den Besitzer, ein kurzer Small Talk wurde gehalten und ich bekam die CD mit der Tonaufnahme.
Rückblickend war es eine interessante Erfahrung, dennoch habe ich mir das ganze spektakulärer vorgestellt. Das ganze könnte nur Phantasie gewesen sein, einen Beweis für Wiedergeburt habe ich nicht erhalten. Vielleicht probiere ich so eine Rückführung später nochmals, dann aber unter Hypnose – wovor Phil allerdings eindringlich gewarnt hatte. Denn man könnte mit unerträglichen Wahrheiten konfrontiert werden. Wie sagte er so schön: „Da bei der Hypnose das Unterbewusstsein die Kontrolle übernimmt, könnte man genauso gut einen Hund eine Boeing 747 fliegen lassen.“
Wie steht ihr zum Thema Rückführung? Habt ihr schon eigenen Erfahrungen gemacht, oder würdet ihr es gerne. Diskutiert mit in diesem Ask1 Forenbeitrag.
Ich find das total mutig, dass du das gemacht hast. Ich würde es ja auch gern mal ausprobieren, jedoch fehlt mir ein wenig der Elan und auch die Überzeugung, dass es professionelle Rückführer gibt. Hätte ständig das Gefühl, ich würde über den Tisch gezogen. Aber ich finde es schon sehr spannend. Naja, was diverse Fernsehsendungen daraus gemacht haben ist allerdings abstrus. Einige sind ja auch gefaked worden.
Die Vorstellung, dass es solche Bilder zu sehen gäbe wie im Fernsehen ist rein logisch nicht nachvollziehbar. Kann man annehmen, dass es bereits möglich wäre/ist, die Bilder im Gehirn eines Menschen sofort und direkt aufzunehmen? Die gezeigten Aufnahmen in den Sendungen sind oft Wochen später, nach intensiver Recherche durch eine großen Mitarbeiterstab, bei Bestätigung des Menschen, der die Rückführung in ein früheres Leben gemacht hat, szenisch von Schauspielern nachgestellt worden. Sie werden nur bei Ausstrahlung sofort über das Gespräch zwischen Probant und Rückführer gelegt und sind mitnichten dass, was der Probant „sieht“ Wie der Probant „gesehen“ hat, wird nicht abgefragt oder mitgeteilt. Vielleicht ist alles genauso,wie es von Ihnen beschrieben wurde.