Auch die Armutsgefährdung sollte differenziert gesehen werden …
Man hört es jetzt schon wieder, das laute Schlagen und Klappern, das die Sozialverbände angesichts der Armutsgefährdungsquoten von sich geben werden. Übel nehmen kann man es ihnen nicht, schließlich gehört das zum Handwerk dazu, um im Gespräch zu bleiben und die Aufgaben eines Sozialverbandes zu erfüllen – auch wenn Zyniker schon von einer Art Sozialindustrie sprechen.
Als neutraler Betrachter sollte man den Armutsbericht aber differenzierter sehen. Ja, es ist wahr, dass nach EU-Definition – gemäß der arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zum Leben zur Verfügung hat – 14,6 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut bedroht sind. Für ein wohlhabendes Land wie das unsere ein trauriger Wert. Wahr ist aber auch, dass der Blick auf die Details ein anderes Bild offenbart, als die amtliche Darstellung. Denn laut der ist die Armutsschwelle bei einer Familie mit zwei Kindern bei 1.683 Euro zu verorten, also einem Wert, der den meisten Hartz-IV-Familien zur Verfügung steht. Der Schritt zur Forderung nach höheren Regelsätzen ist da nicht weit. Aber ist denn der vergleichbare Arbeitnehmer, der für seine Tätigkeit beispielsweise 200 Euro mehr bekommt, wohlhabender? Wohl kaum …
Und dies ist nur ein Beispielfall von vielen im zahlenlastigen Bericht des Statistischen Bundesamtes, der zumindest einer Definition bedürfte. Man schaue sich weiter den Bereich der Rentner an: die für die Bezugshöhe entscheidende Erwerbsbiographie wird ausgeblendet. Wenn nicht ausreichend eingezahlt wurde, kann auch nicht ausreichend zurückkommen. Will man das ändern, muss auch das Rentensystem geändert werden. Nur sollte man sich dann auch vor Augen führen, dass noch keine deutsche Rentnergeneration so viel für ihre Enkel zurückgelegt und so häufig gereist ist, wie es die aktuelle tut.
Natürlich gibt es echte Not in Deutschland. Dies zu leugnen wäre ebenso absurd, wie den Trend zu verkennen, dass sich eine Art Persistenzarmut ergibt, aus der sich die Betroffenen nicht mehr allein herausziehen können. Dennoch kriecht auch nicht das nackte Elend aus allen Poren dieses Landes, wie es die Sozialverbände kolportieren. Daher ist es wichtig, dass die Politik die Balance zwischen deren Forderungen und dem ökonomisch sinnvollem – und machbarem – hält.
Auch für den Hartz IV-Empfänger gilt, was für alle anderen Menschen gilt. Verantwortung muß jeder selbst tragen und die staatlich umverteilte Hilfe so gut es geht an den sinnvollen Stellen investieren.
Aber was ist denn nun als sinnvoll zu bezeichnen? In einer konsum- und wachstumsorientierten Wirtschaftsordnung liegt der Sinn in wachsendem Konsum. Ein Hartz IV-Empfänger kann sich (zumindest offiziell) nur das Nötigste zum Leben einkaufen. Bleibt also in der genannten Ordnung eine Randgestalt. Wohlgemerkt: weiterhin ausgestattet mit allen von der Verfassung garantierten Rechten!
Um einem Dasein am Rande zu entgehen scheint es mir an der Zeit zu sein, dass sich das Gros der Hartz IV-Empfänger hinwärts alternativen und meinem Empfinden nach möglichst gesamtgesellschaftlich nützlichen Lebensformen orientiert. Selbsthilfe und aktive Schicksalsbewältigung anstelle von Passivität und das Hoffen auf bessere Zeiten. Nur so kann sich ein für den ersten Arbeitsmarkt Unterqualifizierter aus dem Sumpf der vermeintlichen(!) Nutzlosigkeit befreien und ein wachsend sinnerfülltes Leben führen – trotz der geringen finanziellen Ausstattung.