Evangelisch wider Willen – Wie ich zur Kirche zwangsangemeldet wurde

 

engel-200x300Irgendwann vor über 10 Jahren als ich meine Ausbildung beendete hatte und erstmalig Kirchensteuern zahlen musste, trat ich aus der Kirche aus. Zwar wurde ich getauft, nahm auch gerne die Konfirmationsgeschenke an, aber viel Anfangen konnte ich mit der Kirche nie.

Der Austritt aus der Kirche war recht einfach: Ich fuhr ohne Termin zum Amtsgericht in Potsdam, erklärte dort meinen Austritt, bekam eine Bescheinigung, schickte diese zum Finanzamt und damit war die Sache für mich erledigt. Und das beste: Es war kostenlos.

All das hatte ich verdrängt bis mich vor ein paar Monaten ein Brief der Kirchensteuerstelle im Finanzamt Reinickendorf erreichte, der um Ausfüllen eines Fragebogens bat, damit meine Kirchenzugehörigkeit ordnungsgemäß geprüft werden könnte.

 

 

Das Schreiben hatte vom Layout und Duktus eine deutliche Ähnlichkeit mit den mir bekannten GEZ Lettern und obendrein versuchte es durch die Bezeichnung „Kirchensteuerstelle im Finanzamt Reinickendorf“ den Eindruck zu erwecken es sei von einem Amt. Was tat ich also mit diesem Bittschreiben? Ich ignorierte diese Bitte, da dieser dubiosen Stelle ohnehin die rechtliche Grundlage für die Auskunftsforderung fehlte.

Im letzten Monat dann, erreicht mich ein erneuter Brief – diesmal von der Kirchensteuerstelle Berlin in Kreuzberg. Man hatte wohl recherchiert und festgestellt, dass ich getauft wurde:

 

Für Sie, Herr Blitz, liegt uns die Meldung vor, dass Sie am 13. November 1977 in der Christuskirche Hamm evangelisch Ritus getauft wurden. Da nach geltendem Kirchenrecht die Kirchenmitgliedschaft in der evangelischen Kirche allein durch die Taufe begründet wird, werden wir Sie als Mitglied dieser Kirche führen.

Sollten Sie dazu fragen haben, können Sie sich gerne an unsere Dienststelle wenden.

Super – ich wurde also zur Kirche zwangsangemeldet und das obwohl ich vor über 10 Jahren ausgetreten bin.

Eine Googlesuche bracht erschreckendes zu Tage:

  • Anscheinend werden in Berlin vorwiegend zugezogene, ausgetretene Protestanten in die Mangel genommen.
  • Man ist tatsächlich in der Nachweispflicht. Sollte man die Kirchenaustrittsurkunde nicht mehr besitzen, so muss man ab dem Zuzug nach Berlin Kirchensteuer nachzahlen. Einkommenssteuernachweise vergangener Jahre nützen nichts.
  • Selbst Amtsgerichte bewahren diese Urkunde nur 10 Jahre auf – sollte man danach noch eine beglaubigte Abschrift benötigen, so muss man sehr viel Glück haben.
  • In diesem Fall hilft nur ein erneuter Austritt und dieser schützt natürlich nicht vor einer Kirchensteuerrückzahlung.

Klingt alles zu verrückt um wahr zu sein?

Schaut Euch mal hier um oder hier – das ist auch ganz nett.

Bei mir wäre es um knapp 5.000 EUR gegangen, wenn ich nicht meine Austrittsurkunde noch im Keller gefunden hätte. Ihr glaubt gar nicht wie erleichtert ich war.

 

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3 Antworten

  1. Ralf sagt:

    Genau diese Geschichte belastet mich zur Zeit. Die Kirchensteuerstelle will nur die Austrittsbescheinigung gelten lassen. Beweise wie Gehaltsabrechnungen, Personenstammblätter und Taufurkunden meiner Kinder sind angeblich nicht möglich.
    Auch eine Erklärung an Eides Statt darf ich nicht abgeben (keinen Anspruch auf Abgabetermin)
    Mich würde eine Kopie des ersten Anschreibens und besonders des Fragebogens interessieren. Können Sie mir so etwas besorgen? Ich würde diese Groteske gern Dokumentieren.

  2. Kai sagt:

    Hallo Ralf,

    leider habe ich sowohl das Anschreiben, als auch den Fragebogen bereits vernichtet. Ich habe lediglich noch meine Austrittsurkunde digital gesichert und das Original sicher verwahrt.

    Auch heute kann ich nur den Kopfschütteln bei soviel Dreistigkeit und der Ausweglosigkeit. Ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deinem Kampf!

    Viele Grüße

    Kai

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