Django (1966) – Eine Filmanalyse

Italowestern: Reviews:
1. – Aus meinen fünf all-time-Favoriten unter den Spaghetti-Western: Film 2 von 5
Allgemeines
Ein Film von Sergio Corbucci (Regie) mit Franco Nero in der Titelrolle; 1965/1966 gedreht, erschienen: 1966. Ein früher Italowestern und der Ursprung für „Django“, eine der einflussreichsten Figuren innerhalb dieses Genres, die nach diesem Film in zahlreichen weiteren Filmen wiederaufgegriffen wurde.
Als ich diesen Film „Django“ von 1966 das erste Mal sah, habe ich ihn zweimal gesehen: Das war der erste Film, bei dem ich bis zur letzten Szene gespannt davor gesessen habe und repeat drückte, kaum dass er vorbei war. Und mich beschlich das Gefühl, da etwas ganz Seltenes erlebt zu haben: Ein Film, der auf so viele verschiedene Weisen spricht, die miteinander verwoben insgesamt ein Ganzes erzählen: in seiner Gestaltung, seiner Atmosphäre, dem Spiel mit den Bildern und Symbolen, einer vordergründigen Handlung, die fühlbar nur ein Teil dessen ist, was dort passiert, in der Musik und in der Komplexität der Personen und ihrer Motivationen. Mittlerweile kenne ich diesen Film schon eine ganze Weile, und trotzdem kann man immer wieder neue kleine Details entdecken, die kleine Aussagen und Indizien für die Geschichte, für den kleinen Kosmos sind, der dort entworfen wird.
Natürlich gibt es schon eine ganze Reihe Kritiken dieses Filmes, aber Kunstwerke lassen sich ja ohnehin nie erschöpfend beschreiben – und mir fielen auch ein paar Gesichtspunkte auf, die für meinen Geschmack in Rezensionen viel zu kurz gekommen sind. So will ich nun versuchen, meine Eindrücke von diesem Film darzulegen, bzw. genauer: zu beschreiben, was nach längerem Nachdenken meiner Meinung nach dort passiert.
Noch eine Vorbemerkung: Von diesem Film existieren verschiedene Sprachfassungen: die (am ehesten originale) Italienische, eine recht gute deutsche Übersetzung, die sich imho sehr nah am italienischen Original bewegt (und nur an manchen Stellen etwas „zensiert“ wurde), und eine katastrophale englische, die ich zu den schlechtesten Syncros aller Zeiten rechnen würde: Sie schafft es tatsächlich, den Eindruck zu erwecken, die Syncron-Texter hatten bei Reden, die länger als ein Satz lang sind, keine Lust mehr und wussten die meiste Zeit nicht so recht, was sie die Figuren sagen lassen sollten – warum man gerade an den textwichtigen Stellen den originalen Textinhalt so ignoriert hat, verstehe ich nicht. Es existieren daneben noch französische und spanische Sprachversionen, und vielleicht noch ein paar andere. Für das Folgende habe ich die erstgenannten drei Sprachversionen benutzt, wobei ich mich bei Unterschieden in den Fassungen an die italienische und deutsche gehalten habe.
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Handlung: Überblick
(ab hier: Spoiler, logischerweise.)
Vorgeschichte
Aus verschiedenen Details und Erwähnungen innerhalb des Filmes erfährt man nach und nach einige Elemente der Vorgeschichte: Django, dessen Kleidung noch die Überreste einer „Nordstaaten-Uniform“ darstellt, hat sich, obwohl aus dem tiefsten Süden an der mexikanischen Grenze kommend, im bekannten Krieg „Nord gegen Süd“ der Nordstaaten-Armee angeschlossen. Während er somit weit von zu Hause weg ist, wird seine Frau von Angehörigen der „Südstaaten-Armee“ niedergemetzelt; die genauen Umstände bleiben unklar, nur ein Major namens Jackson hat dabei eine zentrale Rolle gespielt.
Irgendwie muss Django davon erfahren haben; über die Zeit danach bis zum Beginn des Filmes bleibt einiges im Unklaren: Man erfährt von seiner Inhaftierung in einem Militärgefängnis wegen Desertion und seiner Flucht (man denke auch an „General“ Hugo, als er Django den anderen vorstellt: „Das ist Django: Desperado, Ausbrecher, Deserteur – der beste Freund, den ich je hatte, was sag ich, mein Bruder!“). Vieles bleibt offen, was passiert ist, bis Django in den kleinen Ort kommt, in dessen Umgebung der Film beginnt; es wird nur schnell klar, dass er nicht zufällig und mit einem genauen Plan herkommt.
Nun zum Film selbst
Django sammelt auf seinem Weg in den Ort zunächst Maria ein: Eine Prostituierte, die von einer Bande Mexikaner geflohen ist, dann wieder einigen von ihnen und danach ein paar von Major Jacksons Männern in die Hände fällt. Damit sind bereits die beiden Gruppen vorgestellt, die das örtliche Geschehen kontrollieren. Django trifft mit Sarg, den er hinter sich herzieht, und Maria im örtlichen Saloon auf die zunächst einzigen Überlebenden in diesem Ort: den Saloonbesitzer Nataniele und seine „Mädchen“, die sich mit der Situation arrangiert haben, durch Schutzgeldzahlung und ‚Bedienen‘ beider Gruppen. Die Ermordung einiger Männer von Major Jackson bei der Befreiung von Maria durch Django bleibt nicht ohne Folgen: Schon bald taucht der Major mit einer Handvoll Männern im Saloon auf, der Shootout endet allerdings anders als von ihm gedacht; Django lässt ihn leben und fordert ihn zur nächsten Begegnung mit mehr Männern auf. Eingeschoben ist hier dann ein Wortwechsel zwischen Maria und Django, der Marias Position zu ihm (Liebe, Loyalität) deutlich macht, bevor sie die Nacht zusammen verbringen. Als Major Jackson am nächsten Tag mit 40 Leuten ankommt, wiederholt sich dessen Niederlage aufgrund eines Maschinengewehres, das Django in dem Sarg transportiert hatte. Auch diese zweite Gelegenheit, Jackson zu töten, lässt Django bewusst verstreichen. Nach einer retardierenden Szene des Trauerns (Django) und Begrabens der Toten (Nataniele) trifft die Bande von General Hugo ein, der sich als alter Bekannter von Django herausstellt. Django überredet ihn dazu, Gold aus einem Fort hinter der mexikanischen Grenze zu stehlen, wo Jackson auch sein Gold in Sicherheit bringen wird (was als Erklärung für die bisherige Dezimierung von Jacksons Leuten, aber auch für die Verschonung von Jackson selbst herhält). Bei der Durchführung des Raubes helfen alle mit, selbst Nataniele wird eingespannt – über dessen Aktivitäten Django bestens Bescheid weiß, wie man jetzt erfährt. Nach dem Raub steht die Teilung des Goldes an, doch Hugo will Django an sich binden und versucht, ihn auf später zu vertrösten. In Djangos Augen erkennt Maria, dass das wahrscheinlich Hugos letzter Fehler war – und so verfolgt Django während der Siegesfeier eigene Ziele: Er raubt schlussendlich das Gold, wird allerdings von Maria durchschaut, die sich ihm anschließt und beide fliehen zusammen mit dem Sarg, in dem sich jetzt statt des Maschinengewehres das Gold befindet. Bevor sich ihre Wege am Ort des Anfanges trennen, rutscht der Sarg in Treibsand, Django wird von Maria gerettet, die ihrerseits dann von Hugos Leuten angeschossen wird. Für seinen Verrat und den Raub des Goldes werden Django die Hände zerschlagen (Hugos letzte Worte zu Django: „der beste Pistolenschütze ist nichts wert, wenn er keine Hände mehr hat“). Zwischenzeitlich verlassen die Mädchen, denen die Lebensgrundlage durch Djangos Eingreifen nun endgültig entzogen ist – Jacksons Männer sind überwiegend tot, Hugos Bande will mit dem Gold zurück nach Mexiko – den Saloon und den Ort (und bleiben auf diese Weise am Leben). Nur Nataniele ist noch da, will aber auch gerade den Ort verlassen, als Django die verletzte Maria zu ihm trägt und ihn um Hilfe für sie bittet. Django fasst einen letzten Plan: Das Abrechnen mit dem übriggebliebenen Rest von Major Jacksons Bande. Die sind zwischenzeitlich damit beschäftigt, zusammen mit den mexikanischen Regierungstruppen Hugo und seine Leute hinter der Grenze für den Goldraub abzufangen – von diesen überlebt keiner das Massaker. Jackson kehrt in den Saloon zurück und erfährt von Nataniele, dass Django auf dem Friedhof auf ihn wartet; Jackson erschießt Nataniele grundlos, Maria dagegen überlebt unbemerkt. Es kommt zu einem ungleich verteilten Endkampf auf dem Friedhof: Jackson und 5 Männer gegen Django mit blutigen und gebrochenen Händen – am Ende bleibt Django übrig, der davon geht, und ein von seinen Händen blutüberströmtes Kreuz, auf dem er seine Pistole abgestützt hatte.
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Ausgangssituation: Überreste – und Django als Triebfeder von Veränderungen
Ein ziemlich deutliches Thema, das den ganzen Film durchzieht, sind die Relikte: Jeder der Figuren ist ein Relikt von etwas, das er einmal dargestellt hat; und diese „Überresthaftigkeit“ gilt genauso für den Schauplatz des Geschehens: Der Ort mit seinen vielen leeren Häusern ist der traurige Rest einer blühenden kleinen Stadt, die die Gemetzel an der Grenze nach Mexiko nicht überlebt hat. „Major“ Jacksons militärische Berechtigung ist längst verloren, die er mit dem Rest seiner Männer gewaltsam (und mit einer KKK-artigen Ideologie, symbolisiert durch rote Kapuzen, rote Schals und ein brennendes Kreuz) weiter aufrechtzuerhalten sucht; „General“ Hugo und seine Männer werden von den echten mexikanischen Regierungstruppen verfolgt; der Saloonbesitzer und seine Mädchen sind Überreste einer anderen Zeit im Ort, die auf den ersten Blick seltsam deplatziert wirken – in ihrem heruntergekommenen Zustand allerdings dann doch sehr wohl als Überlebende in einer gestorbenen Stadt erwartbar wären.
Hier ist die „Hausmusik-Szene“ ein schönes eingebautes Element, das sich für einige Minuten zusammen mit der Hintergrundmusik entfalten darf. Diese Szene mit den Frauen beim Wolleaufwickeln und der Hausmusik spielt mit dem Klischee der Behaglichkeit am heimischen Herd (ein in der volkstümlichen Kunst vor einigen Jahrzehnten noch durchaus gängig dargestelltes Thema: (Wolle-)spinnende Frauen und musizierende Männer in Wohnstube); hier jedoch ist diese Szene dazu genutzt, die ganze Hoffnungslosigkeit und Tristess der Personen im Saloon zu illustrieren (die trinkende „Mutter“, die Geige mit einer Seite, die Langeweile, das Husten von versteckten Krankheiten, die Tränen).
Auch Django tritt zuallererst als Überrest von etwas früher Gewesenem in Erscheinung: Als Überrest eines Soldaten (durch die Kleidung), bzw. als Überlebender, der sich durchschlägt (die Vermutung zu Beginn, er könne einfach Sargmacher sein, der ein „Muster“ mit sich herumschleppt). Selbst Maria ist der Überrest einer Prostituierten, die von den Mexikanern geflohen nun zwischen allen Stühlen steht.
In diese Gesamtsituation der Hoffnungslosigkeit tritt der Film hinein; ist es ein anarchischer Film mit einem „Endzeit-Szenario“?
Im Titellied (in seiner italienischen wie englischen Textvariante) gibt der Sänger eine Situationsbeschreibung von außen, die sich zwar vornehmlich mit Djangos innerem Seelenleben (Verlust der geliebten Frau, Trauer) beschäftigt, aber auch auf die ganze Situation übertragbar gehalten ist: „Nasce una stella nel cielo anche per te, e sulla terra una rosa nasce anche per te, o Django, dopo il dolore verrà la speranza!“ („Es geht auch für dich ein Stern am Himmel auf, und auf der Erde wird auch für dich eine Rose erblühen (beide Verben eigentlich: geboren werden), o Django, nach dem Schmerz wird die Hoffnung kommen!“) bzw.“O Django, after the showers the sun will be shining.“
Die Option, an die das Titellied erinnert, ist der Fokus: Es kann alles wieder besser werden. – Aber wie? Hilfe von Außen ist keine zu erwarten, das Machtvakuum wurde durch zwei rivalisierende Banden gefüllt, die nach Gutdünken schalten und walten können; und so fristet dieser Ort mit seinen letzten Bewohnern und den beiden rivalisierenden Banden sein in eine absolute Statik eingependeltes Dasein – fern von jeder Veränderung, von jedem Ort und Zeit isoliert.
Der Ort selbst, dessen konkreter Name nie eine wirkliche Rolle spielt, bleibt auch unkonkret und eher prinzipiell. Interessant ist hier auch die Brücke, die „vor den Toren“ des Ortes liegt, und von der man im ganzen Film nicht erfährt, wohin sie eigentlich führt. Am Beginn des Filmes ist dies der Schauplatz, an dem Django Maria begegnet (und Vertretern beider rivalisierender Gruppen) – Django rät ihr hier davon ab, über die Brücke zu gehen, was hier den Charakter einer über-situativen Aussage bekommt (über diese Brücke gehen = weglaufen bringt eh nichts). Am Wendepunkt der Geschichte finden sich Django und Maria wieder an der Brücke ein, diesmal will Django über die Brücke gehen – was hier mit „sein altes Leben hinter sich lassen“ gleichgesetzt ist. Die Brücke, das wird durch diese zwei Beschreibungen deutlich, führt gar nicht zu einem konkreten Ort, sondern sie führt zuallererst zu einem: weg. (Und dies durchaus auch auf mehr als nur einer örtlichen Ebene).
In die allgemeine Statik treten mit Django nach und nach einige Elemente der Veränderung in das personelle Gefüge dieses Ortes ein: Rollen werden hinterfragt, die Beziehungen untereinander ebenso, jeder muss sich neu positionieren und einstellen; Django zwingt mit seinem mutigen Einmischen die anderen zur Reaktion, er zeigt Mitleid (für Maria), Kaltblütigkeit und Wut (beim ersten und zweiten Kampf mit Jacksons Leuten), Sympathie (für Natanielle, der in seiner Passivität gefordert wird, sein Verhalten zu ändern für andere), konkrete Pläne zur Veränderung (für Hugo).
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Psychogramm: Django-Figur
Neben einigen Grundkonstanten (wie die äußeren Umstände: Unrecht widerfahren und dem Versuch, das zu bewältigen, als Triebfeder) sind die Django-Figuren in den verschiedenen Filmen auch psychologisch unterschiedlich gewichtet und ausgearbeitet – das ist eines der Dinge, die mir beim Zusehen die größte Freude machen. Das Folgende gilt daher aber auch – wie das meiste bisher – nur für diesen einen Django-Film hier.
Zur Verstandes-Seite:
Die Django-Figur ist (– dies ist eigentlich tatsächlich mal eine Konstante in allen Filmen –) in einer Hinsicht als allen anderen Beteiligten überlegen gezeichnet: durch Intelligenz. Es ist keine übermäßige physische Kraft, die ihn auszeichnet (wehren kann er sich – als guter Schütze – nur mithilfe von Waffen – ein Moment, das beim Zerstören seiner Hände noch wichtig wird). Dagegen ist er sich seiner Intelligenz bewusst und setzt sie selbstsicher ein, für Pläne, um Menschen in seine Richtung zu manipulieren (letzteres allerdings behutsam und vor allem bei Leuten „die es moralisch verdient haben“: größere Offenheit bei Leuten, denen er Sympathie entgegenbringt (Maria, Nataniele), stärker manipulierend bei im Grunde von ihm Verachteten (Hugo)).
Aus der Verstandes-Seite entspringt ein wesentlicher Charakterzug, der in großen Teilen dieser Filmgeschichte vorherrscht: ein gewisser Pragmatismus, die Dinge, die man nicht ändern kann, zu akzeptieren, aber kreativ mit ihnen umzugehen, um doch noch durchzukommen. Einer allgemeinen Desillusionierung entspringt aber auch der Zug, dem Verfolgen seiner Ziele sehr viel zu opfern: wenn es sein muss, alles (bzw. so gut wie – bei Maria, die er vor Hugo als Geschenk missbraucht sowie als er sie zurückweist, entschuldigt er sich im Nachhinein dafür durch Blicke – sie ist allerdings selbst überlebens-pragmatisch genug und schätzt ihn entsprechend ein, dass sie seine Motivation versteht (und am Ende mitspielt).
Zum Emotionalen:
Ein interessanter und figur-bestimmender Aspekt bei Django ist in meinen Augen die Diskrepanz zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und der Realität (d.h. das, was der Zuseher im Verhalten und Emotionen zu sehen bekommt). Ein sehr wesentlicher Charakterzug dieser Figur ist (in diesem Film und in allen Nachfolge-Djangos) eine eigentlich grundgute Grundeinstellung und ein sehr feiner Gerechtigkeitssinn – und Mut, diesen Gerechtigkeitssinn bis zur Selbstaufgabe umzusetzen. Von Beginn an ist dies jedoch überzogen mit Leid, Trauer, Wut, durch etwas Tragisches / Schlimmes, das ihm widerfahren ist (meist, wie auch hier, der gewaltsam herbeigeführte Tod geliebter Menschen). Auf diese Art entwurzelt (obwohl er aus der Gegend bzw. vielleicht aus diesem Ort stammt, hat Django hier auch kein Haus mehr) sieht er sich selbst als Mensch, dessen Liebe und Mitgefühl gestorben ist (die m.E. stimmige Bedeutung des zweideutigen Ausspruches, „Django“ würde in diesem Sarg liegen – ein direktes Pendant dazu ist das Grab, das Django im Film „Preparati la Bara“ dann für sich selbst angelegt hat, in dem dann abermals der Sarg liegt.) Noch bevor Django sich als der gefühlskalt-gewordene Mensch vorstellen kann, zeigt sein Verhalten allerdings das Gegentheil: das Mitleid mit Maria und der in dem Sinne fürsorgliche Umgang mit allem und jedem, dass rohe Gewalt kein sinnloser Akt, sondern bei ihm auf moralisch Verachtete beschränkt bleibt (Am eindringlichsten umgesetzt in der Szene, als er sich schon aufrichtig um Maria kümmert (auch wenn er später rein egoistische Motive dafür vorschiebt) und im gleichen Moment mit kalten Augen den letzten von Jacksons Männern an der Brücke erschießt). Die Szene des Trauerns am Grab seiner Frau legt dann schließlich in etwa der Mitte des Filmes offen, was die nach außen hin bewusst vor sich hergetragene Gefühlskälte überdeckt / überdecken soll: tiefen Schmerz.
Ein tragendes Thema vieler anderer Italowestern ist das Moment der Rache, das durch erlittenes Unrecht gerechtfertigt wird – diese einfache Rechnung ist hier viel zu simpel. Mehr als die Hälfte des Filmes hegt Django gar keine expliziten Rachewünsche; vorherrschende Emotionen bleiben eher das Kompensieren des Schmerzes durch Abgeklärtheit und ein gewisser Pragmatismus, der sich der Hoffnungslosigkeit der übrigen Bewohner des Ortes sogar entgegenstellt. Dieser Pragmatismus, dass man nur überleben kann, wenn man zu Geld kommt, bildet die Brücke zum Goldraub. Seine Ernüchterung und ein tiefes Misstrauen gegenüber Gefühlen und den Sinn von Gefühlen, das sich Django aus Selbstschutz aufgebaut hat, wird in einem ersten längeren Gespräch mit Maria ausgesprochen und durch ihr offenes Bekenntnis zu Zuneigung kontrastiert. Er versucht seine Hilfe für sie dadurch zu relativieren, dass sie aus egoistischen Motiven heraus geschehen sei – sie erinnert ihn daran, dass man den Menschen an seinen Taten erkennt, nicht an der Motivation. Noch hat Djangos Fassade in dieser antagonistischen Konstellation allerdings das letzte Wort (auch wenn er ihr de facto – völlig unausgesprochen – und entgegen seiner Fassade mit Vertrauen antwortet).
Am Wendepunkt der Handlung im zweiten Gespräch mit Maria an der Brücke reflektiert Django noch einmal seine bisherige Motivation: Sich mit dem Gold absetzen und sein altes Leben in dem Sarg begraben. – Jackson zu töten bleibt eine mögliche Option in seinem Handlungsspielraum, die aber gar nicht aktiv verfolgt werden soll. Maria eröffnet hier eine zweite Option: Das Gold zurücklassen, das nur Ärger bringe, und mit ihr weggehen. Dieses Gespräch mit dem Austauschen der beiden Optionen ergibt nur auf einer prinzipiellen Ebene der Handlungsmotivation Sinn: Aus dem Verlauf der Geschichte selbst könnte man sich ansonsten an dieser Stelle ganz pragmatisch fragen, warum er nicht einfach mit Gold und Maria irgendwo ein neues Leben anfängt – bzw. erscheint die Option, das Gold zurückzulassen, sinnlos, da der Verrat, um es zu bekommen, schon begangen worden ist. Tatsächlich geht es hier um nicht weniger als darum, Djangos Zukunft im Einklang mit einem Abschluss seiner Vergangenheit festzulegen: Maria stellt mit dem Anbieten einer zweiten Option die für Django an diesem Wendepunkt wesentliche Frage: Was ist für seine Heilung wichtiger: Materielles Überleben oder das Wieder-Zulassen von Gefühlen? Dass durchaus Gefühle, sehr starke, in ihm vorhanden sind, deutet Django hier ein einziges Mal an und gibt den Grund für seine äußere Kälte einmal so gut wie explizit zu: ein Selbstschutz vor weiteren emotionalen Verletzungen.
Django hat keine Zeit, das lange zu überdenken; abermals zwingen ihn die Umstände direkt zum intuitiven Handeln, nacheinander versucht er zu retten (und verliert real / vorübergehend / symbolisch): das Materielle, die Liebe, sein eigenes Leben.
Seine Reaktion auf die Folter durch Hugos Männer – der Tiefpunkt in der Geschichte (mit einer kreuzigungsähnlichen Symbolik) – legt dann einen Zug offen, den man im Grunde die ganze Zeit vermutet hatte: Die erste Reaktion auf Schlimmes durch physische Gewalt, die ihm widerfährt, ist abermals: Erdulden und Pragmatismus, bezeichnenderweise aber kein Hass, erst recht keine blinde Wut. Statt Rache zu sinnen gegenüber Hugo kümmert er sich dann doch erst einmal um die verletzte Maria. Aber die Frage, die am Wendepunkt aufgeworfen wurde, ist noch unbeantwortet: Wie ist die Rückkehr in ein normales Leben überhaupt wieder möglich für ihn?
Djangos Monolog gegenüber der verletzten Maria im Saloon deutet seinen zweiten, psychischen Wendepunkt an: Jetzt erkennt er: Weder sein Weg (materiell ein neues Leben beginnen) noch Marias Weg (neue Gefühle zulassen) können in seinem Denken mehr als Weglaufen sein, das letztlich immer noch keinen Frieden bringt. So folgen nun die Erkenntnisse: Dass er da eine Sache zu Ende bringen muss, ohne die er nicht endgültig abschließen kann, und dass er anderen damit helfen würde. Die Tragik des Tiefpunktes ist, dass Django für sich erkennt, wie seine Antwort lauten müsste, als es eigentlich schon zu spät ist (oder zumindest stark so scheint): Als er physisch nicht mehr in der Lage scheint, irgend etwas zu tun, und als kaum noch einer mehr da ist, dem er helfen kann (die Mädchen sind schon weg, die anderen Bewohner des Ortes sowieso, nur noch Nataniele und Maria sind übrig – und, ok, theoretisch auch einige Bauern hinter der Grenze, die von Jackson terrorisiert wurden).
Der sehr christlich angehaucht erscheinende Schlüsselsatz von Django in diesem Zusammenhang: „…und wenn ich nicht schaffe, was ich mir da vorgenommen habe… dann habe ich mir vielleicht das Leben verdient.“ ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam: Es ist möglich, eigentlich wahrscheinlich, dass er bei dem Versuch, Jackson und den Rest seiner Bande zu töten (was als einzige Abwehroption geblieben ist), selber stirbt, aber eine andere Option bleibt ihm gar nicht mehr: Bei dem Versuch, sein echtes Leben vor der Vergangenheit zu retten, die ihn nicht in Ruhe lässt, könnte er sterben – wenn er es nicht tut, bleibt es (für ihn) auch kein Leben. Wenn sein Leben dabei verloren geht, hatte es vielleicht durch die Tat nachträglich noch einen Sinn: und er begründet diesen Sinn (zwischen den Zeilen) mit den (einerseits tragischerweise mehr oder weniger fiktiven, andererseits aber auch grundsätzlichen) anderen, die er dann zumindest vor Jackson und dessen Leuten befreit habe – was ihn dann zumindest moralisch (und tragischerweise posthum) zu einem guten Menschen machen würde.
In diesen knappen Szenen und den paar Textzeilen mehr oder weniger offen, versteckt sich eigentlich eine große Sinnkrise, die den zweiten Wendepunkt nach dem Tiefpunkt in der Geschichte ausmacht. In diesem Wendepunkt schmeißt Django sein bisher von Pragmatismus und Überlebenswillen getragenes Handlungskonzept, das sich vornehmlich um sich selbst kümmerte, über Bord und beginnt (wieder) an andere zu denken. Unabhängig davon, wie der Kampf am Ende ausgeht, ist das Erlösungsmoment, auf das die Figur hinstrebt, hier schon erreicht: Eine Rückkehr zum eigentlichen Charakterzug der grundguten Einstellung. Auch die Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung (Gefühlskälte) und tatsächlichem Handeln (Sorge um Andere, Mitleid) ist damit jetzt endlich aufgelöst; der dritte Weg – neben den beiden am ersten Wendepunkt diskutierten – ist das Aufbrechen der Kälte und das Wieder-Zulassen von Gefühlen, das zuallererst von innen (nicht wie Marias Vorschlag: von außen) kommen musste.
Im Glauben, etwas (auch für andere, aber auch für sich selbst, also für alle Seiten) Sinnvolles zu tun, geht Django dann zum Schauplatz des letzten Kampfes – nicht nur in seinem Symbolgehalt naheliegenderweise gerade der Friedhof: als der Ort, wo er jetzt wahrscheinlich sein Leben verliert (nach den Hinweisen rechnet er nicht damit zurückzukehren, und trifft Vorkehrungen, wie Maria ohne ihn geholfen werden kann), aber auch als der Ort, an dem er sich selbst in der Filmgeschichte ohnehin immer am nähesten war (ein Bogen zur Szene der Trauer am Grab seiner Frau auf demselben Friedhof). Geerdet wirft Django jetzt alles in eine Waagschale: Das Bemühen, jetzt endlich das Richtige zu tun, füllt er exzessiv aus: Vielleicht schlimmer noch als das eigene Leben zu opfern können die physischen Schmerzen sein, die man erträgt (und die eindrucksvoll im Schlussbild des blutigen Kreuzes mit der blutigen Pistole festgehalten sind).
Bevor Django am Ende den Kampf – trotz allem – für sich entscheidet, begegnen sich die ungleichen Parteien auf dem Friedhof: Django mit blutenden Händen mehr als hilflos hinter einem Holzkreuz knieend; Major Jackson und 5 Männer als zahlenmäßige (aber Waffen-bedingt gerade noch realistisch machbare) Übermacht, unverletzt und stehend, oberhalb von Django am Hang. Major Jackson erkennt die in seinen Augen – und offensichtlich auch so scheinende – Sinnlosigkeit von Djangos Tun, und verspottet dessen Opfer, das er aber als solches anerkennt: Jackson schießt um Django herum mit vier Kugeln ein Kreuzzeichen (und spricht dabei – allerdings nur in der italienischen Tonvariante, die anderen Syncros wurden dahingehend leider „entschärft“ – die zugehörigen Worte „Im Namen des Vaters…“) – eine Anerkennung des Opfers und ein verspottender Segen (bevor Django mit dem Wort „Amen“ und 6 Kugeln antwortet).
Aber selbst in einem atmosphärisch so anarchistischen und trostlosen Film wie diesem hier kann das Gute selbst gar nicht verlieren; das letzte Symbol für Djangos innere Entwicklung ist sein Gang den Berg hinauf und in den Horizont in der Schlussszene.
Eine Frage lässt der Film am Ende so offen, wie das weitere Dasein der Hauptfigur: Ist die Lösung, die Django gefunden hat, wirklich richtig? Gottseidank ist der gesamte Handlungsrahmen in einem kompletten Machtvakuum soweit weg von der eigenen Realität, dass man darauf keine Antwort finden muss.
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Zum Film insgesamt
Ein guter Teil der Filmhandlung spielt sich auf einer anderen als der sichtbaren Handlungsebene ab: Es ist auch ein Wettstreit verschiedener Beweggründe, der die einzelnen Handlungen motiviert und streckenweise allein erklärt, und der sich mehrmalig wendet.
Ich fand es erstaunlich, eine solche Tiefe bereits in dem Film zu finden, in dem die Django-Figur entworfen wurde; aber – auch wenn es bei Drehbeginn noch kein Drehbuch gab – der Entwurf dieser Figur, ihre Konzeption, war ja immerhin die eine Idee zu diesem Film.
In der Konzentration auf die Hauptperson merkt man es dem Film dann doch ein bisschen an – der gesamte Film dreht sich weitenteils um die Hauptperson, auch bleibt Django in diesem Film weitgehend isoliert, er bekommt zwar immer wieder Impulse von außen, die seine innere Entwicklung beeinflussen, aber es gibt keine wirkliche Auseinandersetzung seinerseits mit anderen Personen der Filmhandlung. Das war ein Potenzial, das in anderen Django-Filmen dann teilweise nachgeholt wurde / werden konnte.
Auffällig an der Charakterzeichnung dieser ersten Django-Figur bleibt für mich aber am meisten, dass hier das Moment der eigenen Schuld noch so gar nicht thematisiert wurde. Anders als in amerikanischen Western, von denen man sich in diesem Punkt absetzen wollte, gibt es keine unschuldig-Guten: Alle morden aus den unterschiedlichsten Gründen, nur die moralische Art der Gründe unterscheidet noch „Gut“ und „Böse“ – manchmal auch nicht einmal mehr das. Der Django-Film steht mit seiner Drehzeit 1965/66 noch sehr am Anfang der Italowestern, das Genre entwickelt sich gerade – mit der Auflösung von Guten und Bösen, die nicht mehr anhand des Tötens/Nicht-Tötens erkennbar sind, und mit einer Wendung hin zu mehr Realismus (der Dreck, der Schlamm, das Unperfekte und Unschöne) leistet der Film hier schon eine Menge. Was das Töten von Menschen angeht, werden alle drei Seiten (Jackson&Leute, Mexikaner einerseits und Django andererseits) gegeneinander im Kontrast in verschiedenen Szenen dargestellt bzw. in ihren jeweiligen Reaktionen vorgeführt: Jackson&Leute: wildes Gelächter (bei dem Erschießen mexikanischer Bauern), Mexikaner: ebenso (beim Verstümmeln des Priesterleins), Django: keine sichtbare Gefühlsregung, Stille bis Wut. Allerdings – und auch das war in dieser Form zu der Zeit alles andere als gewöhnlich in Western-Filmen – schießt sich Django, reglos und kalt bzw. von aufgebauter Wut über die Tötungsschwelle getragen, hier schon weitenteils durch den Film, no matter what (jemand hat mal 95 Männer gezählt, die er hier tötet, – und es gibt jeden Grund anzunehmen, dass die von ihm im Film Getöteten auch nicht seine ersten sind). Es bleibt dann allerdings späteren Filmen vorbehalten, sich in Linie mit Djangos Charakter der Thematik der Schuld anzunehmen (und die Figur sich daran abarbeiten zu lassen): Wenn das so eine innerlich tief empfindende, äußerlich kalte Person ist, muss er zumindest in stillen Momenten Probleme haben mit seinem Töten von Menschen: die gefühlskalte „Killermaschine“, die er nach außen hin darstellen will und als die er sich – ohne darüber selbst glücklich zu sein – selbst empfindet, ist er nicht.
– Vielleicht finden sich in diesem Film bereits ein paar Indizien, aber sie bleiben vage: Natürlich müssen die Toten nach dem Massaker, das Django bewirkt hat, begraben werden, und dort auf dem Friedhof begegnet er dem Grab seiner Frau, sodass sein Trauern vor dem Grab naheliegend ist. Und doch folgt diese Szene unmittelbar nach dem größten Morden; und die Figur bleibt hier gerade in seiner Stille dort auch dem Beobachter verschlossen: Was genau denkt er am Grab? Diese Innenbereiche bleiben unerklärt. Auffällig ist, dass in seiner Antwort auf Natanieles Frage, ob Jackson für den Tod seiner Frau verantwortlich sei, eine ziemlich kalte Härte durchschlägt – es wirkt wie eine Rechtfertigung des gerade veranstalteten Massakers; vielleicht flammt hier doch einmal schon das Moment der eigenen Schuld auf.
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Folgewirkung der Figur
Die Frage, die sich Nachfolgefilme gestellt haben, in denen die Figur wieder aufgegriffen wurde: Was charakterisiert die Figur? Was ist das ihr eigene Element unter den ganzen Protagonisten-Figuren in den entstehenden italienischen Western?
Der Originalfilm bot eine ganze Reihe an „Ver-Ortungen“ an, an Versatzstücken aus einer Geschichte hinter der Figur, mit denen in späteren Filmen gespielt werden konnte – auch wenn sie die Figur an sich nicht unbedingt benötigt: Die Kleidung (insbesondere der halblange schwarze Mantel mit Pelerine), der militärische Hintergrund, der gewaltsame Verlust eines Django nahestehenden Menschen als Auslöser (auch andere Auslöser wären denkbar), z.B. Was dagegen nur ganz selten rezipiert wird, sind die beiden Elemente des Sarges und des Maschinengewehres, die überwiegend auf diesen Film beschränkt sind. Nur im sich daran direkt anhängenden Film „Preparati la Bara!“ (Django und die Bande der Gehenkten) tauchen sie als handlungswichtige Elemente wieder auf, und in der unsäglichen „Fortsetzung“ „Django Returns (1987)“ – die eigentlich kein Western mehr ist, sondern in einen „Rambo“-artigen Stil abgeglitten ist, aber das ist nochmal eine andere Geschichte… Allerdings ist an letzterem Film auch schön im Negativ zu sehen, was die Figur im Inneren ausmacht: die Innerlichkeit der Handlungen; fehlt dies, fällt sie vom Charakter her auseinander. (Dass dies – auch ohne lange über die Figur nachgedacht haben zu müssen – sich doch als Ahnung durch den ersten Django-Film transportiert, zeigt der einhellige Kommentar zu diesem „Nachfolge“-Film: Das sei ein Rambo, aber kein Django…)
Django ist zuallererst – was schon überraschen kann – eine von der Psyche her charakterisierte Figur: Eine Person mit dem Moment der Verletzung (innerlich), das nach Auflösung verlangt. Diese im Kern dynamische Struktur und diese Art der Auflösung lässt sich auf ganz verschiedene Weisen immer neu erzählen, neu ausmalen, in verschiedenste Situationen einbetten. Per se ist die Figur damit nicht an ein bestimmtes Setting gebunden, nicht an eine bestimmte Zeit oder ein historisches Ereignis; es ist vielmehr die innere (aber erzwungene) Motivation, nach außen hin Veränderung herbeizuführen, die die Figur im Kern zusammenhält. Konkret steht damit irgendein tragisches, von anderen herbeigeführtes Leid grundsätzlich am Beginn seiner Geschichten – J.P. Morgan hat diese Ausgangssituation, die Django als Figur grundlegend charakterisiert, mal scherzhaft beschrieben als: „…und was geschieht im Spaghetti-Western, wenn Django mal von zuhause weg ist? Richtig – die Ranch wird überfallen und die Familie wird heimtückisch gemeuchelt.“ – selbst wenn es so banale Dinge wie Tabak besorgen sind, die ihn von Zuhause mal kurz wegführen, wie in dem konkreten Fall (J.P. Morgan, Django – Sartana – Ringo, 148 zum (mittelmäßigen) Film „Chiedi perdono a Dio… non a me“ / „Django – den Colt an der Kehle“).
Wesentliche Charaktereigenschaften, die die Figur näher ausmalen und ihre Persönlichkeit schärfer umreißen, die dann auch bei späteren Djangos übernommen wurden, sind dann meiner Meinung nach als Grundzüge: die Intelligenz und die emotionale Tiefe, der Gerechtigkeitssinn und der Mut, für das Gerechte bis zur Selbstaufopferung zu streiten.
Es wird im Zusammenhang mit italienischen Western immer gerne das Moment des Anti-Helden zitiert, das hier zelebriert worden sei – was auf den „Mann ohne Namen“ (Dollar-Trilogie; Clint Eastwood) zuzutreffen scheint, gilt für Django meiner Meinung nach eigentlich nicht so recht: Ein klassischer Anti-Held ist Django mit dieser Ansammlung doch recht guter Charakteristika eigentlich nicht, auch wenn er in der Regel knietief im Blut von ihm ermordeter Menschen steht. Mit der Django-Figur zieht in meinen Augen doch vielmehr ein anderer Aspekt klassischer Heldengeschichten wieder in die italienischen Western ein: Das Drama, die Tragödie – ein Held, dem sehr viel Leid widerfahren ist / widerfährt, und dessen eigentlich gute Eigenschaften in einer völlig aufgelösten und unwirtlichen Umwelt geprüft werden; ein eigentlich guter Mensch, dem man beim Fallen zusieht, und beim inneren und äußeren Kampf zurück zur Gerechtigkeit. Die Intelligenz und die emotionale Tiefe der Django-Figur sind hierbei wichtig dafür, dass er auch noch ein sehr realistisches Bild der Zusammenhänge besitzt und dass das Unrecht und die Grausamkeit, die ihm widerfährt (oder auch die er selber anrichtet), in extremer Tiefe von ihm erfahren werden können: Dieses Sehenden-Auges Erleiden erhöht den Druck auf die Figur ins Unerträgliche und ist ein starker Motor für das „Einmanteln“ in Trauer (hier könnte man auf die symbolische Bedeutung der Kleidung eingehen…) als Grundschlag einerseits und für das kontrolliert-aggressive Streben nach äußerer Veränderung (das sog. „Rache-Motiv“) andererseits.– Es gibt für ihn charakterlich keine Option, dem Leid psychisch zu entfliehen (Realitätsverlust ist genauso wie Selbstmord eigentlich keine denkbare Option der Figur; ein reines Zerfließen in Selbstmitleid verbietet dann noch die eigene Gegenwarts-Erdung). Die Figur strebt auf ein Erlösungsmoment hin und wird vorher (in immer neuer Ausmalung als Teil der mittleren Filmhandlungen – „wieviel kann ein Mensch ertragen?“) physisch und psychisch durch „Tod, Feuer und Wasser“ gezogen – es ist so m.E. kein Zufall, dass unter den (aus einem gewissen bewussten Realismus heraus) grundsätzlich Brutalität nicht scheuenden Italowestern die Djangofilme gemeinhin zu den brutalsten gehören.– Und auch Erfolg oder Scheitern am Ende lassen sich nicht immer so eindeutig festlegen, aber umso mehr ausdifferenzieren (was dann in weiteren Filmen auch geschieht).
Neben den Grundeigenschaften charakterisieren die Django-Figur filmübergreifend vor allem vier emotionale Pole, zwischen denen die Figur aufgrund des figurbestimmenden Unrecht-Erleidens oszilliert und sich charakterlich ausbreitet: der grundsätzlich gute Kern (das Mitleid, die Hilfsbereitschaft) vs. die Gefühlskälte (durch emotionale Verletzung); der Schmerz (als Trauer, als stille Momente) vs. Wut und Hass (als treibende Kraft, jedoch im Zaum gehalten vom Gerechtigkeitsgefühl). Gerade diese emotionalen Spannungen innerhalb der Figur machen das spannendste an ihr aus, in meinen Augen, und legen auch eine Erklärung nahe, warum diese Figur immer und immer wieder in weiteren Filmen neu verhandelt werden konnte, ohne langweilig zu werden oder sich abzunutzen.

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2 Antworten

  1. Telepathetic sagt:

    Hallo Semiramis,
    eine schonungslose und ehrliche Kritik an Deinem Review von Django (1966).
    Mir gefällt Dein Review. Mir gefällt die Aufteilung in verschiedene Abteilungen, die sich mit den wichtigen Aspekten des Filmes beschäftigen. Das Review ist recht lang, aber nicht zu lang, es wird meines Wissens nach beinahe alles gesagt, vermutlich lassen sich beim wiederholten Male Schauen noch mehr Details und mögliche Geschichten zu Django imaginieren. Du schreibst das ja bereits und die meisten Nachfolge-Filme untersuchen, wie Du ja auch schon schreibst, andere Aspekte der Figur, wie etwa die immense Schuld, die auf ihm liegt.
    Es fällt mir schwer, etwas zu Deinem Text beizusteuern, was daran liegt, dass Du bereits alles (und mehr), was mir beim Schauen des Filmes auch aufgefallen ist, geschrieben hast.
    Ich biete Folgendes an:
    Zum Sarg:
    in dem Sarg liegt das Maschinengewehr, welches für einen massenmordenden Django steht und gleichzeitig dafür, dass der echte, der nicht mordende Django, gestorben ist. Da fällt mir der Dialog in Rückkehr der Jediritter ein, wenn Obi-Wan erklärt, dass Anakin Skywalker sich von der dunklen Seite hat verführen lassen und daraufhin aufgehört hat, zu existieren, und zu Darth Vader geworden ist. Diese Wandlung ist äußerlich sichtbar geworden, indem der Mensch Anakin zur Mensch-Maschine im gesichtslosen schwarzen Schutzanzug geworden ist. Der Schutzanzug hat auf Symbolebene auch was von einem Sarg.
    Der Sarg, in dem Django liegt, gehört seiner Natur nach auf einen Friedhof, oder etwa nicht? Django zieht den Sarg hinter sich her, er ist schwer, er könnte ein schlechtes Gewissen symbolisieren, etwas, das man hinter sich herschleppt, etwas, das einen in der eigenen Lebendigkeit hemmt und speziell auf Django bezogen,
    das eigene tote Innere darstellt. Das er den Sarg hinter sich herzieht, mag aber auch Hoffnung geben, dass das eigene tote Innere noch nicht ganz begraben ist, es ist eben nicht endgültig gestorben und nicht am verrotten. Paradoxerweise lebt das Tote noch.
    Zum Kreuz:
    Das bringt mich zum Kreuz, das auf dem Friedhof steht. Der Film endet auf dem Friedhof, dort wo ein Sarg eigentlich hingehört. Das Kreuz symbolisiert Christi Leiden am Kreuz und seine Widerauferstehung von den Toten. Jesus muß sein Kreuz auf sich nehmen und auf den Kreuzigungsberg schleppen. Unterschied ist, dass Django selbst Schuld auf sich geladen hat, ebenso Darth Vader, und Jesus sich die Schuld Anderer aufgeladen hat. Ebenso geht es bei allen drei Figuren um Erlösung von Schuld, um Wideraufstehung von etwas Gestorbenen, um Widerbelebung, wieder hergestellte Vitalität, in einem weiteren Sinne um eine wieder hergestellte Unschuld / Reinheit vom Bösen. Jedenfalls taugt die finale Begegnung zwischen Gut und Böse auf dem Friedhof um den Sieg des Guten über das Böse darzustellen. Es ist ein ewiger Kampf, das Böse kann überwunden werden, Böses kann erlöst werden, ab einem bestimmten Punkt jedoch kann nur noch der physische Tod eine Erlösung bewirken, nämlich die
    Erlösung der Anderen. Interessanterweise scheinen Jackson und seine Leute bis zur Wurzel böse zu sein, so dass sie selbst nicht mehr erlöst werden können. Im Krieg der Sterne zeigt sich das anders. Luke konnte den Konflikt in Vader wahrnehmen und dass noch Gutes in ihm ist. Darth Vader scheint also tatsächlich dem Django näher zu stehen als Jackson und allen anderen ermordeten Schuldigen.
    Man kann den Friedhof und das Kreuz auch als Zeichen dafür sehen, dass der Aufschwung erst vom tiefsten Tiefpunkt aus kommen kann. Django hat sehr viel Leid bewußt aushalten müssen. Er ist in Wahrheit ein sehr starker Mensch, der vermutlich durch die Umstände zum Mörder geworden ist – was ihn nicht von seiner Schuld befreit – d.h. es blieb ihm keine andere Wahl, vor allem nicht angesichts der verrotteten Jackson-Bande und der genauso verrotteten Mexikaner. Im Gegensatz zu jenen ist Django moralisch nicht endgültig auf den tiefsten Tiefpunkt gesunken. Anscheinend gibt es einen Tiefpunkt, von dem aus kein Aufschwung mehr möglich ist. Dieser Tiefpunkt würde in einem Sarg in einem Grab ohne Kreuz verrotten.
    Zur Kleidung Django’s:
    Django’s Kleidung zeigt an, dass er sich mental noch im Krieg befindet und zwar einerseits im Bürgerkrieg und andererseits in dem inneren Konflikt, den Du ja bereits ausführlich beschrieben hast.
    Zu Django’s Gerechtigkeitssinn:
    gleich am Anfang des Filmes wird der fundamentale Unterschied zwischen Django und zumindest den kaputten Mexikanern gezeigt. Er hilft der Frau und zwar einfach nur deshalb, weil jemanden unfreiwillig fesseln und peitschen falsch ist. Ich glaube, er fragt nicht einmal nach, was sie getan haben könnte. Dem Zuschauer wird es leicht gemacht, den Unterschied zwischen Django und den Mexikanern zu sehen, weil die Mexikaner sich wie eine wildgewordene Horde von gefährlichen Halbidioten aufführen. Django ist kontrolliert und nach einer kurzen emotionalen Reaktion des Ekels ob deren Verhalten zu sofortiger Hilfe bereit.
    Sonstige Bemerkungen:
    auch mir scheint der Film sehr vielschichtig zu sein. Seine Stärke ist seine Menschlichkeit. Die ‚Actionszenen‘ und die brutale, dem Zuschauer nicht vorenthaltene, Gewalt sind kein Selbstzweck zur Unterhaltung einer im Grunde gelangweilten und sensationslustigen Masse, sondern sind integraler Bestandteil der Handlung und sagen damit Wichtiges aus. Die Stärke des Filmes ist seine Menschlichkeit und zwar gerade weil er die sozusagen dunkle Seite exploriert. Schönerweise werden nicht alle Motivationen und Zusammenhänge vollständig erklärt, sondern dem Zuschauer werden genug Lücken gelassen, die er selbst füllen kann. Er kann sich in die Figur des Django hineinprojizieren, bzw. den Django in sich selbst sehen und da Django trotz seiner eiskalten Fassade Emotionen zeigt, kann man sich (unabhängig vom Geschlecht) in ihn hineinversetzen.
    Weiter oben habe ich geschrieben, dass Django’s Widersacher unerlösbar sind, sie können sich vom Tiefpunkt aus nicht mehr aufschwingen. Sie könnten es vermutlich, wenn diesen Charakteren irgendetwas Menschliches zugeschrieben worden wäre. Man kann sich
    nicht in jemanden hineinversetzen, dessen Motivationen und Hintergründe nicht kennt. Man weiß nur, dass diese Charaktere gründlich schlecht sind. Man könnte natürlich auch anfangen zu spekulieren, warum diese Charaktere der dunklen Seite zugehörig geworden sind; Entscheidungen, die sie gefällt haben, Umwelteinflüsse, von denen sie geformt worden sind, finden. Das würde die Dynamik des Filmes vielleicht nicht grundsätzlich verändern, aber würde einen anderen Schluß herausfordern. Ich habe da die Folge „Balance of Terror“ der Serie Raumschiff Enterprise im Sinn. Die Romulaner zerstören außerhalb ihres Territoriums eine Raumbasis der Föderation. Die Enterprise nimmt die Verfolgung auf und Kirk beschließt, das romulanische Schiff zur Abschreckung zu zerstören, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, um einen Krieg zu verhindern. Die Romulaner werden aber (trotz der Spock-Ohren) nicht als Teufel hingestellt, sondern in einen Kontext gebracht, der dem Zuschauer erlaubt, in den Romulanern die Möglichkeit der Entwicklung zur friedlichen Rasse zu sehen. Spock vermutet, dass die Romulaner von den Vulkanern abstammen, die ebenso wie die Terraner eine Ära der brutalen Kolonisierung ihres Planeten hinter sich haben. Kurz bevor das romulanische Schiff explodiert, sprechen Kirk und der romulanische Kapitän kurz miteinander. Kirk will die Besatzung zur Enterprise rüberbeamen, aber der Romulaner kann das aufgrund seiner Tradition nicht zulassen. Entscheidend ist die Aussage, dass er sich und Kirk als gleichartig ansieht und er ihn in einer anderen Realität als Freund hätte bezeichnen können. Kirk erscheint als die Figur, in die sich ein Romulaner verwandeln kann. Django würde als die Figur erscheinen, in die sich ein Jackson und Seinesgleichen verwandeln können.
    So, jetzt ist es doch viel mehr geworden, als ich vermutet hatte. Ich persönlich mag den Film und bin froh, dass ich den Thread auf WV gelesen habe. Immer wieder schön, inspiriert zu werden. Danke,
    Tele

  2. Semiramis sagt:

    Hallo Tele,
    danke für Deinen Kommentar, der mich sehr freut!
    Bei den allermeisten Punkten, die Du ansprichst, möchte ich Dir sehr zustimmen – die Sache, dass „Django“ in diesem Film eine zutiefst menschliche und so auch nachvollziehbare Figur wird beispielsweise. Es scheint mir überhaupt ein immer wiederkehrender Grundschlag der (ernsten, nicht der späteren Comedy-Varianten) Italowestern zu sein, dass sie Figuren in den Mittelpunkt stellen und damit als Identifikationsfokus des Zuschauers präsentieren, mit deren Taten man sich nicht so einfach identifizieren kann – bzw. können sollte; sie tun Falsches, Furchtbares, und bleiben doch auf einer menschlichen Ebene nachvollziehbar, auch wenn man – wie in diesem Falle – als Zuschauer die meiste Zeit mit-leidet… Das ist aber auch eine große Stärke dieser Filme, in meinen Augen, dass sie hier die Möglichkeit eröffnen, menschliche Tiefen als Zuschaueridentifikation auszuloten.
    Es gibt bei dieser Art von Western ohnehin immer ein Grundsetting, das sie unbedingt brauchen: Das Nicht-Funktionieren (oder auch die weitgehende Nicht-Existenz, wie hier) staatlicher Sicherheit und eines Gerechtigkeitssystems mit Justiz und Exekutivgewalt. Dieses System muss auf die ein oder andere Art gestört sein, damit sich diese Geschichten überhaupt entfalten können – ansonsten „trocknen“ sie sprichtwörtlich „aus“. Hinter diesem Grundsetting steht die beständige Frage: Wie würde man sich verhalten, wenn es keine Instanz gibt, die einem Recht verschafft oder die eigene Sicherheit garantiert – dieses Fehlen ermöglicht es, dass das Gerechte und Gute allein vom Charakter der verbliebenen Menschen abhängt (statt von offizieller Regelung). In dieser maximalen Freiheit mit all ihren Problemen und Grausamkeiten („Recht des Stärkeren“, sinnlose Gewalt, Gewalt gegen schutzlos Schwächere etc.) werden die Charakter der Figuren geprüft – die große Frage steht immer im Hintergrund und bleibt unbeantwortet: Wie soll man sich verhalten, wie soll Recht und Gesetz und Schutz wieder hergestellt werden? Das Setting allein macht es bereits nahezu unmöglich, rein jeglicher Schuld das Dasein zu fristen – selbst ein Nicht-Einmischen und sich aus allem heraushalten könnte falsch sein, weil man dann das Unrecht anderer duldet. Es sind – neben der inneren, psychologischen Entwicklung der Hauptfigur auch diese Grundfragen, die diese Filme thematisieren und immer neu aufwerfen: Was ist eigentlich richtig und falsch, was das Gute, was das Böse, in den jeweiligen Kontexten. Dass aber eine gewisse Grundahnung, was grundsätzlich richtig ist (Respekt gegenüber anderen, nicht zu töten, Schutz von Schwächeren) tatsächlich erhalten bleibt, ist an sich eine sehr positive Botschaft, die meiner Meinung nach auch als grundsätzliches Gut gemeint ist und nicht allein aus der wiederkehrenden Verbindung der Italowestern zu christlichen Überzeugungen erklärt werden kann. Doch in der aufgelösten Situation ist das Gute schutzbedürftig – Ich denke, diese Filme sind auch vor diesem Aspekt nicht zufällig Mitte der 1960er Jahre in Mitteleuropa entstanden – und dennoch sind das auch zeitlose Fragen.
    Die angesprochene, immer wieder zu beobachtende Verbindung der Italowestern vor allem auch zu christlichem Symbolschatz mag vielleicht ein Einfluss des katholisch geprägten Italien auf die Filme sein – im Unterschied auf eher von „protestantischen Überzeugungen geprägte“ amerikanische Western wird hier sehr oft und gerne mit konstellativen Motiven gespielt, die eine Verbindung zum Über-Irdischen haben: Im Sinne von einem über-situativen Guten, aber auch dadurch, dass Figuren mehr sein können als ein individueller Mensch, nämlich Schablonen für grundsätzliche (Handlungs-)Prinzipien. Die Kreuzsymboliken, die Erlösungsthematik machen auch diesen konkreten Film zu einem sehr „christlich-lesbaren“ Film, dessen verschiedene Ebenen auch in dem Spiel mit Symbolik ihren Grund finden.
    Zwei einzelne Dinge:
    Zum Gerechtigkeitssinn: Der Gerechtigkeitssinn der Hauptperson konkurriert über lange Strecken zunächst mit dem egoistischen Pragmatismus, was sich imho im Riss innerhalb von Djangos Psyche zwischen Selbstwahrnehmung (gefühlskalt) und eigentlich gutem Kern (Mitleid) niederschlägt: Er schaut der Auspeitschung zu und schreitet nicht ein, weil er die Mexikaner für später in seinem Plan noch braucht. Er erschießt dann jedoch die Männer von Jackson, um Maria zu retten, und lässt hier das Mitleid zu, weil es seinem eigenen Plan nicht entgegensteht; mehr noch: es passt auch ganz gut in seinen Plan, auf diese Weise Jackson selbst auf sich aufmerksam zu machen (wäre aber nicht unbedingt nötig gewesen, was das Mitleid für Maria als Motiv seiner Handlungen hier zumindest als Teilmotiv belegt). – Ein ähnliches Phänomen findet sich kurz vor dem Massaker im Gespräch mit Nataniele wieder: Grundsätzlich weiß er zwar, dass das Ermorden von Jacksons Männern auch für andere etwas Gutes bewirken würde (die Aussage: „dann muss man mit den Fanatikern und Verrückten kurzen Prozess machen, damit nicht alle anderen dran kaputt gehen“); zu diesem Zeitpunkt, noch lange vor seinem psychischen Wendepunkt, jedoch handelt er, weil es seinem egoistisch motivierten Plan dient und aus keinem anderen Grund – der Effekt für andere ist (noch) relativ egal.
    Zum Sarg: Die Sache mit dem Sarg ist ein recht interessantes Motiv. Der Sarg ist, da stimme ich Dir sehr zu, etwas, was man hinter sich herzieht, auch (mal wieder) auf einer symbolischen Ebene: Es ist die Vergangenheit, die er hier mit sich schleppt, und – wie Du richtig sagst – sein eigenes totes Inneres, was in diesem Sarg eingekapselt, aber nicht richtig beerdigt ist. Im Laufe des Filmes zeigt sich, wie sehr das vergangene auch die Last ist, die ihn hemmt, in seiner gegenwärtigen Entwicklung und in der Zukunftsplanung: Die Vergangenheit ist noch nicht verarbeitet abgeschlossen. Bezeichnenderweise werden beide Pole, zwischen denen er darin ossziliert, was für ihn wichtig sein könnte, mit dem Sarg verknüpft: Zunächst ist die Fähigkeit zu lieben darin eingeschlossen, im zweiten Drittel des Filmes dann das Materielle / das Gold. In dem Moment, wo der Sarg im Treibsand versinkt – und damit seine Möglichkeit, irgendwelche Aspekte seiner Persönlichkeit in der Vergangenheit / dem Sarg einzumanteln – erkennt er, „was wirklich wichtig ist“: Die Vergangenheit ist von nun an unwiederbringlich vergangen, der Fokus wird im Moment des eigenen Sterben-Könnens (gewaltsam durch die Umstände) auf das Weiterleben im Jetzt gerichtet. – Diese Funktion des „in die Vergangenheit einmanteln“ hätte der Mantel/die Kleidung übernehmen können, das wurde in diesem Film jedoch nicht realisiert. Interessanterweise wurde dieses symbolische Element dann im Film „Preparati la Bara! / Django und die Bande der Gehenkten“ tatsächlich sinntragend ausgefüllt, wo mit Sarg und Mantel meiner Meinung nach verschiedene Persönlichkeitsteile der Hauptperson in Bezug auf seine Vergangenheit dargestellt werden und deren Entwicklung symbolisiert wird.
    Was Du schriebst über die Möglichkeit der Widersacher, sich von ihrer Schuld zu befreien, ist ein Aspekt, der in diesem Film – hauptsächlich auch wegen dessen starken Fokus auf die Hauptperson – nicht weiter verfolgt wurde: Über ihre Motive erfahren wir nichts, was sie unnachvollziehbar bleiben lässt – ihre wesentliche Funktion scheint der Kontrast zu Django zu sein, als „negative Beschreibung“ von Eigenschaften der Hauptperson, die sich in Interaktion darstellen lassen. Das ist ein bisschen schade – andererseits kann ein Film ja nicht alles leisten, was überhaupt ausgesagt werden könnte. Die Sache, auch die „Bösen“ etwas vielschichtiger zu machen, auch gegenüber dieser Figur, wurde tatsächlich (nicht immer, aber auch mal) in anderen Django-Filmen nachgeholt – was aber auch eine Auseinandersetzung Djangos mit den Motiven der anderen Personen bedingt. Dieser Film dagegen erscheint mir fast skalpell-artig die Psyche der Hauptfigur zu zerlegen, das ist so das ganz Eigene dieses konkreten Filmes und auch seine große Stärke.

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